Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
und schüttelte sich. Der Musketier schwenkte seine Waffe und zielte auf den Bären. David stockte der Atem, blitzschnell schob er sich zwischen seinen Tanzpartner und den grässlich langen Waffenlauf.
»Wir jagen einen anderen!«, rief der Edelmann. Er wirkte sehr ungehalten, und das machte David mächtig nervös. »Der große Lümmel soll sich zeigen. Sofort!«
»Ich verstehe nicht, mein Herr – wer soll sich zeigen?« David mimte den Gelassenen, runzelte fragend die Stirn. »Und wollt Ihr mir nicht sagen, wer Ihr seid?«
»Will Er mich zum Narren halten?« Ehe David sich’s versah, drückte der Offizier die Degenspitze durch die Jacke hindurch in seine Haut. »Wo ist der Dieb?« Jemand schrie auf der anderen Seite des Vorhangs, Zahn und Knochen knirschten. Lautstark dankte Stephan dem Heiligen Rochus für seinen Beistand.
»Dieb?« David schluckte, machte große Augen, stand furchtbar steif. »Ich bitte Euch, edler Herr – wir sind Gaukler, keine Diebe!« Vorsichtig und wie hilfesuchend wandte er den Kopf nach den Frauen um. »Habt ihr das gehört? Man hat den Herrn Baron bestohlen. In Heidelberg. Während unserer Vorstellung.« Er spürte, wie der Offizier den Degen von seiner Brust nahm, und atmete auf.
»Heilige Mutter Gottes!« Marianne schlug die Hände gegen die Wangen und trat vor. »Rübelrap wird doch nicht schon wieder in sein altes Laster zurückgefallen sein?«
»Oh doch!« Der Edelmann in Schwarz wich den knurrenden Hunden aus und trat vor die Landgräfin zur Wagenburg. »Wir haben ihn ja eben beobachtet – euer Spießgeselle drängte sich draußen durch die Menge und fischte den Leuten Münzen, Messer und Uhren aus den Taschen.«
»Spießgeselle? Aber nicht doch, Durchlaucht!« Marianne stieß einen Seufzer des Entsetzens aus. »Ehrliche Leute sind wir, und wenn einer von uns gestohlen hat, soll er …«
»Das kann doch nicht wahr sein!« Auch David tat schockiert, ballte die Fäuste, stampfte mit dem Fuß auf. »Hat er doch hoch und heilig geschworen, nie wieder zu stehlen.«
»Allein wegen seines Schwurs hat unser Directeur dem Goliath überhaupt gestattet, weiterhin mit uns zu ziehen«, beteuerte Marianne. Tränen stiegen ihr bereits in die Augen. Die Zwergin stand mit hängenden Schultern und zuckenden Augäpfeln beim Zeugwagen und kaute auf der Unterlippe herum.
»Dann ist er obendrein eidbrüchig geworden.« Zum ersten Mal erhob der Musketier seine seltsam hohe Stimme. Er redete, wie David die Leute im Herzogtum Württemberg hatte reden hören. »Dabei gehört der Bullenkerl doch zum Volk der Eidgenossen, nicht wahr? Eidgenössisch jedenfalls hat es aus seinem Bauch getönt. Und in Heidelberg hat er meinem Capitän einen Sack Dukaten gestohlen.« Mit einer Kopfbewegung deutete er auf den Offizier. »Und dem englischen Schlosskommandanten Sir Herbert sein Jagdmesser. Her mit dem Eidgenossen, oder ich schieße erst die Köter tot und dann die Bären!«
»Er wird uns alle ins Unglück stürzen.« Die Landgräfin drückte die Tränen aus den Augen, drehte sich zum Zeugwagen um. »Rübelrap! Her mit Ihm!«
»Tut ja nicht so scheinheilig!« Der Offizier verstand überhaupt keinen Spaß, so viel war David längst klar. »Ihr alle werdet mit diesem Lümmel in den Kerker und an den Pranger gehen, wenn ihr nicht ihn und sein Raubgut ausliefert.«
»Rübelrap! Um Himmels willen, Rübelrap!« Die Landgräfin lief weinend zum Zeugwagen. »Hier behauptet jemand, Er hätte schon wieder gestohlen! Wo steckst du, Tagdieb?«
»Wenn Ihr wüsstet, wie sehr wir ihm ins Gewissen geredet haben, edler Herr.« Die Rechte abwechselnd auf Bären- und Hundeschädel und mit der Linken seinen Hut vor der Brust zerknautschend, gab David den Fassungslosen und Zerknirschten. »Wenn Ihr nur wüsstet, wie oft wir den Kerl zur Beichte geprügelt haben …«
»Was ist hier los?« Endlich erschien der Directeur de la Compagnie auf dem Bühnenwagen.
»Stell dir vor, Stephan«, sagte David. »Dieser edle Herr aus Heidelberg glaubt, von Rübelrap bestohlen worden zu sein.«
»Ich glaube es nicht, ich bin dessen sicher.« Der Offizier lief zum Bühnenwagen. »Schafft mir Euren Burschen herbei!«
Stephans fantastisches Edelmannkostüm schien den kurfürstlichen Offizier immerhin so sehr zu beeindrucken, dass er ihn auch wie einen Edelmann ansprach. Doch leider nicht genug, um seine Wut und die Drohungen zu vergessen, die er sich auf dem langen Weg vom Neckar herunter an die Dreisam ausgedacht hatte.
»Her mit dem
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