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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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liebe, wie sehr sie sich nach ihm sehne und ja, nichts lieber als ihn sehen, am liebsten morgen schon! Aber er könne doch nicht einfach seine Wanderschaft abbrechen, könne doch nicht einfach Magdeburg verlassen und sie aus Handschuhsheim wegholen. Er möge bloß Acht geben auf dem langen Weg, und der allmächtige und gütige Gott im Himmel möge ihn segnen und beschützen!
    Den Brief mit der noch feuchten Tinte in der Hand stürzte sie die Treppe hinunter. Ihre Mutter stand in der offenen Haustür, hatte sie wohl gesucht und belauerte sie jetzt mit teils zornigem, teils leidendem Blick, griff sogar nach ihr, als Susanna sich an ihr vorbeidrängte und auf die Gasse sprang. »Susanna!«, rief sie mit schwerer Zunge. »Hiergeblieben!”
    Susanna rannte die Gasse hinauf. Die Mutter, die ihr ein Stück gefolgt war, konnte nicht Schritt halten. Susanna dankte Gott dafür, dass er sie mit einem faulen Zahn gestraft hatte, bog in die Hauptstraße ein und spurtete zum Markplatz. Nur wenige Stände und Wagen befanden sich noch dort. Die Gaukler waren längst weitergezogen, und die Steins konnte Susanna auch nirgends mehr sehen.
    Als sie nach ihnen fragte, erhielt sie die Antwort, sie seien gerade erst abgefahren. Susanna rannte am Gotteshaus vorbei, die Gasse hinunter und zur Brücke hinauf. Dort, fast schon am Ende der Brückenbahn, kurz vor dem Affenturm, sah sie den Wagen der Steins, den sie an dem schweren Schwarzwälder-Gespann erkannte. »Friedrich!«, rief sie und rannte, so schnell sie nur konnte. »Friedrich!«
    Der Bauer Stein hörte den Namen seines Sohnes, hielt das Gespann an, und Susanna konnte den inzwischen getrockneten und gefalteten Brief dem Friedrich übergeben. »Lies ihn nicht, bitte«, keuchte sie atemlos. »Ich habe kein Kuvert gefunden. Und bitte schreib ihm, dass ich in großer Eile war.«
    Der Friedrich versprach es, und Susanna machte kehrt. Beine und Lunge schmerzten, sie fühlte sich wie ausgelaugt.
    Am Brückentor passte die Mutter sie ab. »Wo warst du?«, nuschelte sie. »Was hast du getan?«
    »Ich hab die Briefe beantwortet, die du gestohlen hast.« Susanna hielt ihrem zornigen Blick stand.
    »Gestohlen?« Die Mutter holte aus und schlug ihr ins Gesicht. »Was fällt dir ein!«
    »Schlagen kannst du mich noch.« Susannas Stimme zitterte. »Doch mein Herz triffst du nicht mehr.«

6
    D avid setzte die Violine ab, riss den zum Horn verformten Hut vom Schopf und verneigte sich tief. Schwarze Locken fielen ihm aus dem Nacken, berührten beinahe den Bühnenboden und klebten ihm an Stirn und Wangen; sein Atem flog, und die gestreifte Hose und die blaue Jacke des Jean Potage waren von Schweiß durchtränkt.
    Auch die anderen Gaukler verbeugten sich. Die Leute von Breisach klatschten und jauchzten, als könnten sie niemals genug kriegen von dem Spektakel auf der Bühne. Und als könnte er niemals genug kriegen von ihrem Klatschen und Jauchzen, verbeugte David sich wieder und wieder und sog den Beifall mit jeder Verbeugung und jedem Atemzug tiefer in die Brust hinein.
    Die Häscher aus Heidelberg fielen weder ihm noch seinem Ziehvater auf.
    »Wirr danken euch, ihrr weinseligen Edelfrrauen und Freiherren von Brreisach.« In einer theatralischen Geste breitete Stephan die Arme aus. »Ende der errrsten Vorrrstellung. Es folgt nun die zweite, denn das Spiel geht weiterr und weiterr. Herrauf zu mirr also, ihrr Mühseligen und Geplagten.«
    Der Beifall legte sich nach und nach, und Stephan lud mit pathetischen Gesten und Worten zum Zähnebrechen. Rübelrap trug die Vögel weg und schob ein Stufenpodest vor die Bühne, David sorgte für Tisch und Stuhl, und die Landgräfin zur Wagenburg legte Zangen, Hebel und Zahnschlüssel bereit.
    Da erst wandte ein Großteil der Breisacher sich ab und strömte auf den Münsterplatz zu den Tischen und Weinständen. Immerhin gut drei Dutzend Männer und Frauen drängten sich vor dem Podest und wollten zum Zahnbrecher auf die Bühne hinauf.
    Stephans Gaukler verschwanden einer nach dem anderen hinter dem Vorhang. Marianne begann sofort, die Einnahmen zu zählen; die Zwergin kauerte erschöpft am Wagenrand; Rübelrap fütterte die Vögel und verkroch sich dann mit seiner Beute in den Zeugwagen; David kümmerte sich um die Bären und Hunde; und unsichtbar, jedoch deutlich hörbar für alle, widmete Stephan sich jenseits des Vorhangs den schlimmen Zähnen derjenigen, die sich zu ihm hinauf wagten.
    David schien es bald, als wären es heute mehr als sonst und als würden die

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