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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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Lieder mit; manchmal auf Deutsch, oft jedoch in einer Sprache, die Susanna nicht kannte. Einmal brach sie in lautes Heulen aus, und dabei trat eine solche Traurigkeit auf ihre schönen und zugleich bitteren Züge, dass Susanna erst den Atem anhielt und dann selbst laut weinen musste; viele Stunden lang, bis sie keine Tränen mehr hatte.
    Kurze Zeit danach schlugen die ersten Kanonenkugeln in der Stadt ein – zuerst in der Umgebung des Gymnasiums, dann im Kurfürstlichen Marstall. Später auch in der westlichen Vorstadt beim Speyrer Tor. Und dann erschien der General Tilly mit seinem Kriegsvolk vor den Mauern der Residenzstadt.

Z WEITES B UCH
    Von der Wildnis des Herzens
    ___
    A UGUST 1622 BIS A PRIL 1624

1
    E in seidenes Schnupftuch, es duftete nach Veilchen. Verwundert schnupperte Maximilian von Herzenburg daran, bevor er sich damit den Schweiß von der Stirn wischte. »Ein Gewitter zieht auf.« Das Tuch in der Rechten, deutete er nach Westen, von wo sich eine dunkle Wolkenbank über den Rhein schob. »Dem Himmel sei Dank. Ein wenig Abkühlung wird uns guttun.«
    Unten in der Stadt läutete eine Kirchturmuhr. Halb drei. Sie warteten auf den Angriffsbefehl des Generals.
    Wieder roch der Rittmeister am Schnupftuch, und endlich erinnerte er sich: Es stammte aus einer Truhe voller Kleinodien, die Schneeberger und seine Reiter aus einem brennenden Jagdschloss im Odenwald getragen hatten. Als Hauptmann stand von Herzenburg ein Anteil der Beute seiner Leute zu; natürlich suchte er sich nur die schönsten Stücke aus.
    »Diese schwüle Luft …« Mit einem Spitzentuch tupfte sich auch der Obrist Prinz von Bernstadt Stirn und Hals trocken. Das tat er schon die ganze Zeit.
    Von Herzenburg ekelte es jedes Mal, wenn sein Blick auf den nassen, fleckigen Fetzen fiel. Jedes Mal musste er dabei an seine Cousine denken – das Spitzentuch war mit ihrem Namenszug bestickt: MARIA . Leuchtend rote Lettern. Wenn der Rittmeister sich recht erinnerte, hatte sie dem Prinzen sieben solcher Spitzentücher zur Hochzeit geschenkt. Dazu eine komplette Ausstattung Weißzeug: Spitzenhemden, Manschetten und Halskrösen.
    Von Bernstadt trug heute einen Elchlederkoller über silbrig glänzendem Harnisch, und über dem Koller einen roten Kasack aus Seide und mit goldenen Knöpfen – so nannte man einen Soldatenmantel mit aufknöpfbaren Ärmeln. Kein Wunder also, dasser schwitzte. Das Weiß seiner flachen Kröse stand in lächerlichem Kontrast zu von Bernstadts rotem Gesicht, und seine beinahe bis zum Koller reichenden Elchlederstiefel hatten besonders weite Stulpen, die nicht nur mit Batist gefüllt, sondern auch noch mit Spitzen gesäumt waren.
    Abwechselnd drückte der Prinz auf seine Nasenflügel, um sich ins Unterholz zu schnäuzen, tupfte sich dann wieder Schweiß von Stirn und Hals und seufzte: »Man weiß bald nicht mehr, was man mehr hassen soll – das trotzige Pack von Heidelberg oder diese schwüle Augustluft.«
    Maximilian las den Namenszug auf dem Spitzentuch – MARIA – und spürte, wie es ihm warm durch die Lenden perlte. »Besser keines von beidem.« Er zog den Hut vom Kopf und wedelte sich Luft ins Gesicht. »Bei diesem Wetter scheint es mir viel zu anstrengend, irgendetwas zu hassen.« Neidisch schielte er nach rechts zu seinem Cornet. Der lehnte gegen eine der alten Buchen hier und spähte gleichmütig in die Stadt hinunter. Nicht eine Schweißperle konnte der Rittmeister in seinem hohlwangigen Gesicht entdecken. Von Torgau schwitzte so gut wie nie.
    Der nächste Angriff auf Heidelberg stand bevor, diesmal von Süden, vom Hang des Gaisberges aus. Zunächst aber wollte General Tilly die Antwort des Stadtgouverneurs auf das letzte Verhandlungsangebot abwarten.
    Jenseits des Neckars, auf dem Heiligenberg, stiegen kleine Pulverwölkchen auf. Kanonendonner hallte zu ihnen herüber, die Kugeln heulten über den Neckar und schlugen krachend zwischen den Häusern ein. Ein seit Wochen vertrautes Geräusch.
    »Es geht wieder los«, sagte von Bernstadt, tupfte und seufzte und tupfte. »Diese elende Hitze …«
    »Wird höchste Zeit.« Der Cornet stieß sich vom Buchenstamm ab und lief durchs Unterholz ein Stück hangabwärts, wo eine massige Gestalt sich aufgerichtet hatte und winkte: Johann Schneeberger. Mit von Herzenburgs gesamter Kompanie wartete der Feldwebel auf das Kommando zum Sturm auf den Trutzbayer.
    Neben ihm ging Mathias von Torgau am Wegrand in die Hocke. Die Männer tuschelten und deuteten dabei zwischen die Bäume. Sie

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