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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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wieder über dreißig unserer Leute beim Sturm auf den Trutzkaiser erschossen und erschlagen? Haben sie nicht letzte Woche bei Dilsberg beinahe zwei Dutzend Versorgungsschiffe versenkt und an die hundert brave Landsknechte erschlagen? Nein, unschuldig sind sie gewiss nicht, und sie werden’s zahlen müssen.«
    »Das wiederum scheint mir ganz richtig zu sein, Rittmeister.« Der Obrist wurde auf einmal sehr ernst. »Man muss alles zurückzahlen im Leben. Das ist wahr.«
    Unter ihnen, im Hang, erhoben sich Schusslärm und Kampfgeschrei. Von Herzenburg griff in die Rocktasche, und seine Finger schlossen sich um das parfümierte Schnupftuch. Darunter knisterte der Brief des Herrn Grafen. Plötzlich fegte ihm eine Sturmböe den Hut vom Kopf. Er rannte ihm hinterher und zog ihn aus einem vom Wind zerwühlten Farnfeld. Sturmböen schüttelten bald auch die Baumkronen durch. Starker Regen setzte ein, Blitze zuckten. Der Kanonendonner verstummte.
    Ein Bote aus von Herzenburgs Kompanie rannte durchs Unterholz herauf und machte Meldung: Der Angriff verlief zäh, Regen und Wind hielten es mit den Verteidigern. Von Bernstadt befahl, den Sturmangriff abzubrechen. »Das Unwetter tobt mir gar zu heftig!«, rief er. »Morgen ist auch noch ein Tag.« Die Landsknechte hasteten in ihre Lager zurück, um sich vor dem Gewittersturm zu schützen.
    Wie ein Ring umgaben die sechs Lager der bayrischen Armee Heidelberg, drei davon auf der Südseite in den Hängen von Königsstuhl und Gaisberg. Von Herzenburgs Zelte standen im Lager Nummer zwei, in einer Schneise zwischen den beiden Hügeln an einem Weg, auf dem man in Friedenszeiten direkt hinunter ins alte Stadtzentrum gelangte.
    »In Zeiten wie diesen müssen wir ihn uns eben mit Degen, Karabinern und Kanonen bahnen«, sagte er irgendwann nach vier Uhr zu der Hure, die er sich aus dem Tross hatte kommen lassen. Sie hatte Wein mitgebracht, und sie stießen darauf an, noch vor Ende September auf dem Marktplatz von Heidelberg zu flanieren.
    »Dann schenke ich dir ein schönes neues Kleid«, versprach er, während er sie aus ihrem schäbigen alten Kleid schälte. Und als er sich zwischen ihren Schenkeln bewegte und sie unter ihm Vergnügen mimte, bedeckte er ihren Kopf mit dem Kleid und stellte sich zuerst Marias keuchenden Mund und entzücktes Gesicht vor – er wusste ja, wie gierig sie gucken konnte, wenn sie sich ihrer Lust hingab. Danach malter er sich jene stolze schwarzlockige Heidelbergerin mit den dunkelblauen Augen aus, die ihm so wortlos und kalt ihre Verachtung gezeigt hatte nach der Vorstellung der englischen Komödianten. Doch so recht wollte ihm weder das eine noch das andere gelingen.
    Schwer von Wein und Erschöpfung nickte er später an den Brüsten der Hure ein. Plötzlich trat aus Regen und zuckenden Blitzen eine andere Frau mit schwarzen Locken und dunkelblauen Augen auf ihn zu. Sie trug ein Kostüm, wie Greenley es getragen hatte, als er den Pickelhering spielte, und war ähnlich geschminkt wie dieser bei seinen Auftritten … Hildegard . Sie drückte ihre kalte Stirn gegen seine heiße und flüsterte: »Räche mich, Max.«
    Von Herzenburg fuhr hoch. Das Traumbild zerstob. Heißer Schrecken füllte seine Brust, und sein Herz raste. Die Hure drängte sich an ihn. »Raus!«, herrschte er sie an. Er war außer sich, schlug sie und trieb sie nackt zum Zelt in den Sturm hinaus. Die Kleider warf er ihr hinterher.
    Mit zitternden Händen kramte er dann den Brief seines Vaters aus der Rocktasche – und mit ihm das Schnupftuch und eine goldene Uhr: halb fünf. Sturm rüttelte am Zelt. Von Herzenburg entfaltete den Brief. Von der Feuchtigkeit des Schnupftuches war die Tinte zerflossen, nur einzelne Satzfetzen konnte der Rittmeister noch entziffern – im Sommer in zwei Jahren sollte seine Hochzeit auf der Herzenburg gefeiert werden. »Und damit es mit dem Krieg bis dahin auch wirklich ein Ende hat«, wie der Herr Graf sich ausdrückte, hatte der Herr Graf es sich anders überlegt und wollte nun doch ein kleines Heer aufstellen, um für Kaiser und Reich zu kämpfen. »Und was Ihn betrifft, meinen Sohn«, schloss der Brief, »so nehme ich an, es wird Ihm eine Ehre sein, unter meinem Kommando den Ruhm der von Herzenburgs zu mehren.«
    Maximilian schrie auf, zerknüllte den Brief, warf ihn gegen die Plane und spuckte darauf. Da erst merkte er, dass rasch größer werdende Rinnsale durch das Zelt flossen. Er sprang hoch. DerDonner verhallte einen Atemzug lang, die Orkanböen verebbten

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