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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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hilflos die Hände. »Lasst Ihr ihn hinrichten?«
    Der König schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Danke«, keuchte Dite. »Oh, danke!«
    »Nicht«, sagte der König und hob die Hand. »Dankt mir nicht. Euer Vater wird etwas leichter zu führen sein, solange er glaubt, dass ein wenig Hoffnung besteht, dass Sejanus irgendwann freigelassen wird. Das ist der einzige Grund dafür, Sejanus am Leben zu lassen. Unglücklicherweise zerstört das zugleich jede Hoffnung, dass Euer Vater Euch in Eurer Verbannung unterstützen wird, Dite, also tue ich Euch damit keinen Gefallen.«
    Dite senkte den Blick, beklagte sich aber nicht. Mühsam beugte sich der König nach rechts und streckte die linke Hand aus, um die Schublade des Tischchens neben dem Bett aufzuziehen. Er hob an den Schnürbändern einen Geldbeutel daraus hervor und griff dann noch einmal in die Schublade, um ein gefaltetes Dokument herauszuholen. Er setzte sich wieder auf, warf die Börse an den Rand des Betts und reichte Dite das Papier.
    »Ihr könnt einen Teil des Geldes in dem Beutel dazu verwenden, um … Familienangelegenheiten zu klären. Der Rest sollte reichen, Euch bis auf die Halbinsel zu bringen. Das Papier ist ein Empfehlungsschreiben an den Herzog von Ferria. Er hält Euch die Stellung des Konzertmeisters an seinem Hof frei.«
    Dite drehte das Papier in den Händen. »Ferria«, sagte er staunend.
    »Es tut mir leid, Dite.«
    Dite tat die Entschuldigung mit einem Schulterzucken ab. »Ihr habt meinen Bruder verschont, obwohl Ihr ihn hättet töten können, und mir einen Ausweg aus der Jauchegrube gewiesen, die meine Familie und dieser Hof darstellen. Ihr wisst, wie viel es mir bedeutet, am Hof von Ferria musizieren zu können. Ihr habt mir einen Geldbeutel und einen unmöglichen Traum in die Hand gegeben. Ich weiß nicht, wofür Ihr Euch entschuldigen solltet.«
    »Dafür, dass ich Euch in die Verbannung schicke, Dite. Ich habe vor, Euer väterliches Erbe zu schleifen und Salz auf dem Boden, auf dem es gestanden hat, auszustreuen. Ihr müsst mir beim besten Willen nicht danken.«
    Dite stand auf, um sich vom König zu verabschieden. Den Blick noch immer auf das Papier und den Geldbeutel, die er in den Händen hielt, gerichtet, sagte er: »Ihr habt mir noch nicht gesagt, warum Sejanus Euch töten wollte.«
    Der König blickte bekümmert drein und erwiderte sanft: »Um Euretwillen, Dite.«
    Dites Kopf schoss hoch.
    »Brüderliche Liebe.« Der König zuckte mit den Schultern.
    »Und doch lasst Ihr uns am Leben und schenkt mir dies.« Er hielt das Dokument und das Geld hoch.
    »Ich glaube, wir haben unsere Meinungsverschiedenheiten beigelegt, Dite.«
    Dite nickte. »Zu meinem Glück. Ich habe ihn gewarnt, wie Ihr es von mir verlangt hattet.«
    »Es ist nicht Eure Schuld, dass er Euch nicht geglaubt hat«, sagte der König. »Und auch nicht, dass er Euch so gern hat wie Ihr ihn. Vielleicht wird ihn das eines Tages retten, wenn ich ihn nicht länger lebendig brauche.«
    Dite sah ihn an. »Das hoffe ich. Ich bitte Euch darum, Euer Majestät. Er ist mir sehr teuer.«
    »Ihr müsst vor Einbruch der Nacht an Bord eines Schiffes sein.«
    »Das werde ich«, versicherte ihm Dite. Er warf einen Blick auf den bestickten Wandschirm vor dem Kamin und sah dann wieder den König an. Er verneigte sich und sagte lächelnd: »Möget Ihr in all Euren Unternehmungen gesegnet sein.«
    Der König lachte leise. »Lebt wohl, Dite.«
     
    Als Dite gegangen war, trat die Königin hinter dem Wandschirm hervor und sagte noch im Gehen: »Wenn er meinen Hof für eine Jauchegrube hält, frage ich mich, warum er so lange geblieben ist.«
    »Er war verliebt«, erklärte der König.
    »In wen?«, fragte Attolia.
    Der König lachte. »In dich.«
    Sie sagte nichts, aber ihre Wangen liefen rosig an, während sie sich auf einen Stuhl neben dem Bett setzte. »Das ist doch ein Scherz?«, fragte sie am Ende.
    Der ganze Hofstaat wusste, dass Erondites’ älterer Sohn in die Königin verliebt war, ja, das ganze Land wusste es. Costis vermutete, dass es sogar in Sounis allgemein bekannt war.
    »Das ist lächerlich«, sagte die Königin.
    Der König pflichtete ihr bei. »So, als ob man sich in einen Erdrutsch verlieben würde. Das konnte auch nur dir entgehen.«
    Sie schüttelte ungläubig den Kopf und setzte zum Sprechen an, aber bevor sie etwas sagte, sah sie ein Gesicht nach dem anderen im Zimmer an und las von ihnen die Wahrheit ab. Ihre Wangen röteten sich noch mehr. Sie wandte sich wieder dem

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