Der Gebieter
Kopf auf dem Kissen und suchte im Gesichtsausdruck des Königs nach einer Antwort.
»Nein.«
Relius starrte ihn immer noch an, ohne zu blinzeln. »Oh, ihr Götter«, sagte er und schloss die Augen. Er schien unter der Bettdecke zusammenzuschrumpfen.
Der König stimmte dem zu, was Relius unausgesprochen ließ: »Genau das würde ich Euch sagen, ob es nun wahr ist oder nicht. Es gibt nichts, was ich sagen kann, um Euch davor zu bewahren, die ganze Nacht lang hier zu liegen und mit dem Schlimmsten zu rechnen. Wenn Ihr morgen früh nicht fortgeschleift werdet, macht Ihr Euch nur Sorgen, dass die Gefängniswärter am Nachmittag hier erscheinen werden, oder in den späten Stunden der folgenden Nacht, oder der übernächsten, und vielleicht werdet Ihr, wenn genug Nächte vergangen sind, anfangen zu vermuten, dass Ihr schon die ganze Zeit über in Sicherheit wart. Aber zwischen jenem Zeitpunkt und jetzt liegen Stunden, ja Tage und Wochen der Qual, nicht wahr?« Er sprach in ruhigem Tonfall.
»Sollte ich Euch wieder um Gnade anflehen?«, fragte Relius und wandte den Blick ab.
»Ihr sollt mir glauben«, sagte der König mit stärkerem Nachdruck. »Aber das werdet Ihr nicht. Würdet Ihr der Königin glauben? Soll ich sie herholen, damit sie Euch sagt, dass dies kein grausamer Streich ist?«
Relius verrenkte sich, um den König erstaunt und entsetzt anzusehen. »Nein!« Sein Protest klang überraschend entschieden.
»Warum nicht?«
»Ich habe an ihr versagt.«
»Wollt Ihr noch nicht einmal darum bitten?«
»Ich werde niemals…« Als er so heftig antwortete, wurde er an seine Schmerzen und seine Verwundbarkeit erinnert. Er brach ab.
»Das habe ich mir gedacht«, sagte der König. »Ich habe sie schlafen lassen und Euch stattdessen das hier mitgebracht. Sie hat es vorhin geschrieben.« Eugenides hob das zusammengerollte Papier hoch, das er in der Hand hielt. »Ihr haltet es unten fest«, sagte er und legte die Rolle auf Relius’ Brust.
Eine von Relius’ Händen war verbunden, aber er nahm die andere, um den Rand der Schriftrolle festzuhalten, während der König zog. Als die Rolle ausgerollt war, knickte der König sie, um sie offen zu halten, und legte sie dann gefaltet auf die Bettkante. Er strich mit der Manschette an seinem anderen Arm über die Faltkante, um einen schwachen Knick zu hinterlassen.
Dann hielt er das Papier wieder hoch, damit Relius die Wörter sehen konnte, während er sie ihm laut vorlas: »Ich, Attolia Irene, begnadige hiermit meinen Archivsekretär, Relius, ungeachtet seiner Verbrechen und seines Versagens, um der vielen Dienste willen, die er mir erwiesen hat, und eingedenk der Liebe, die ich ihm entgegenbringe.«
Relius schluckte. Eugenides ließ das Papier los und strich den Knick glatt. Es rollte sich wieder zusammen.
»Eingedenk der Liebe, die sie Euch entgegenbringt, Relius.«
»Es ist nur Papier«, sagte Relius und blinzelte seine Tränen fort. »Haltet es über die Lampe am Bett, dann wird es zu Asche.«
Eugenides schüttelte den Kopf, aber Relius hatte die Augen wieder geschlossen und sah es nicht. »Relius«, befahl Eugenides, und der Archivsekretär öffnete die Augen. »Es ist ihr Wort. Wenn ich es in ein Kohlenbecken fallen lasse, wird das Papier
zwar verbrennen, aber Ihr Wort wird nicht so einfach von den Flammen verzehrt. Sie würde Euch nicht belügen.«
Relius schüttelte den Kopf. »Ihr seid der König«, sagte er. Es war der letzte Widerspruch, der ihm zu Gebote stand.
Der König hielt dagegen: »Wenn sie annehmen müsste, dass ich als König vorhätte, die Begnadigung zurückzunehmen, hätte sie das hier nie geschrieben. Dann wäre es eine Lüge, und sie würde Euch nicht belügen«, wiederholte er.
»Nein«, sagte Relius mit zitternder Stimme. »Das … täte sie nicht.« Sein erleichtertes Seufzen mündete in ein Keuchen.
»Es tut mir leid, dass ich nicht früher kommen konnte, Relius. Ich hatte eigentlich nicht vor, Euch hier so lange allein zu lassen.«
Der König blieb neben dem Sekretär sitzen; keiner von beiden sprach, bis Relius eingeschlafen war. Als der König aufstand, blieb er einen Augenblick zusammengekrümmt stehen, bevor er sich mit einem fast unhörbaren Seufzen aufrichtete.
Am Morgen übersprang Costis die Fechtübungen, nahm ein geruhsames Bad und ging dann direkt zum Frühstück im Speisesaal. Er suchte sich einen Einzelplatz, blieb aber nicht lange allein. Eine Gruppe anderer Gardisten stand sofort auf und ließ sich wie ein
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