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Der geduldige Tod (German Edition)

Der geduldige Tod (German Edition)

Titel: Der geduldige Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helke Böttger
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abtrennt.«
    Der Mann am anderen Ende der Leitung wirkte geschockt. »Weiß die Polizei, wer er ist?«
    »Nein. Sie haben mich im Verdacht, aber das ist völlig absurd.«
    »Ja, das ist wirklich absurd. Was machen Sie?«
    »Ich versuche, nicht daran zu denken, dass er es auf mich abgesehen haben könnte. Es muss ein Zufall sein.«
    »Was machen die Panikattacken?«
    »Es geht so. Hin und wieder kommt eine, aber ich bekomme sie meistens in den Griff. Woran merkt man, dass jemand ein Killer ist? Gibt es bestimmte Merkmale?«
    »Nein, nicht immer. Wieso? Haben Sie jemanden im Verdacht?«
    Sie zögerte einen Moment, bevor sie sagte: »Ja, einen Freund von mir. Ich habe ihn hier kennengelernt und er ist der Einzige, dem ich davon erzählt habe. Er wusste von den abgetrennten Füßen und der Frau, die neu zusammengesetzt wurde. Habe ich ihn zum Mörder gemacht, weil ich ihm davon erzählt habe?« Sie begann zu schluchzen.
    »Erst einmal: nein. Sie haben ihn nicht zum Killer gemacht. Wenn, dann war er es schon und Sie haben ihn höchstens auf eine neue Idee gebracht. Aber ich denke nicht, dass Sie so einfach Vertrauen zu einem so ruchlosen Mörder fassen würden. Sie sind viel zu vorsichtig geworden. Was hat Ihnen an dem Mann gefallen? Wieso ist er Ihr Freund geworden?«
    »Ich mochte seine einfache, nette Art. Er hat mich immer angelächelt und mir etwas Schönes gesagt. Und er hatte so etwas Trauriges in seinem Blick, das hat mich angesprochen.«
    »Wie hat er sich Ihnen gegenüber verhalten?«
    »Er war stets ganz lieb, hat versucht, mir etwas Gutes zu tun. Er hat mich auf sein Boot genommen und schöne Orte gezeigt.«
    »Hat er versucht, sich Ihnen zu nähern auf eine Art, wie Sie es nicht wollten?«
    »Nein, niemals. Er war sehr rücksichtsvoll.«
    »Warum denken Sie, dass er der Mörder ist?«
    »Weil er als Einziger weiß, was passiert ist. Ich habe es hier sonst niemandem erzählt. Und weil mein Pass verschwunden ist und die Schublade offenstand.«
    »Victoria, viele Deutsche sind wie Sie auf die Insel gezogen. Es muss kein Einheimischer sein. Und erst recht nicht Ihr Freund. Die Zeitungen waren voll von Ihrer Geschichte. Der wahre Mörder kann es dadurch erfahren haben. Die ganze Sache muss gar nichts mit Ihnen zu tun haben. Und was sollte Ihr Freund denn mit Ihrem Pass anstellen?«
    »Ich habe keine Ahnung.«
    »Victoria, geben Sie niemandem und nichts die Macht, über Ihr Leben zu entscheiden und Ihnen die Freude daran zu nehmen. Auch nicht der Angst. Außerdem, wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, zweimal einem Serienmörder in die Arme zu laufen? Verschwindend gering. Oder sagen wir mal, vermutlich genauso groß, wie zweimal einen Flugzeugabsturz zu überleben. Und wie oft passiert das?«
    Sie lächelte erleichtert. Den Spruch hatte sie schon gehört. »Danke, Doktor Jericho, vielen Dank für Ihre Hilfe.«
    »Gern geschehen, Victoria. Genießen Sie die Zeit auf der Insel. Genießen Sie, dass Ihre Seele langsam heilt, und lassen Sie sich nicht verrückt machen. Lernen Sie, Vertrauen zu haben. Vertrauen ist wichtig für Geist und Körper.«
    »Danke.«
    Sie verabschiedete sich und legte auf.
    Sie musste Vertrauen haben. Vertrauen in Francisco.
    Sie duschte und zog sich an. Dabei rief sie sich erneut ins Gedächtnis, welchen Eindruck der junge Mann auf sie gemacht hatte. Keinesfalls den eines eiskalten Killers.
    Sie öffnete die Wohnungstür und lief hinaus auf die Straße. Sie hatte einen Hut aufgesetzt, aber nicht, um sich gegen die Sonne zu schützen, sondern vor Blicken. Vor Franciscos Blicken. Bevor sie ihn wieder in ihr Bett ließ, musste sie mehr über ihn herausfinden.
    Sie ging den vertrauten Weg hinauf zum Markt, wo er mit seinem Stand Tomaten feilbot. Doch sie lief nicht zu ihm. Sie stellte sich in den Schatten an der Ecke des Hauses, das neben dem Eingang des Marktes stand, und beobachtete ihn. Sie sah, wie er den Hausfrauen Tüten voller Tomaten verkaufte, ein paar Touristen Feigen anbot und einem Kind einen Pfirsich schenkte. Dann kraulte er einen hungrigen Hund und warf ihm ein Stück Käse zu, das er seinem Standnachbarn abgekauft hatte. Einem Urlauberpärchen erklärte er den Weg zu einer Sehenswürdigkeit.
    Als der Markt schloss und die Händler ihre Stände abbauten, packte er die übrig gebliebenen Tomaten auf den Wagen, ein paar verschenkte er sogar. Dann fuhr er los, Richtung Weinberg.
    Sie kannte den Weg und folgte ihm zu Fuß.
    Als sie angekommen war, erlebte sie noch mit, wie er den

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