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Der geduldige Tod (German Edition)

Der geduldige Tod (German Edition)

Titel: Der geduldige Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helke Böttger
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gegessen?« Ihre Stimme klang heiser. So etwas hatte sie wirklich nicht erwartet.
    »Ja. Solange das hier steht, habe ich das Gefühl, sie seien nur kurz weg und kämen vielleicht später noch zurück. Als könnte ich sie hier festhalten. Es ist verrückt, ich weiß, aber ich denke, wenn der Tisch leer ist, wird es zur bitteren Gewissheit. Dann weiß ich, sie sind wirklich fort und ich bin tatsächlich ganz allein.«
    Sie drückte seine Hand und wandte sich ihm zu. Er war wirklich genauso beschädigt wie sie. »Du bist nicht allein«, flüsterte sie.
    Er zog sie an sich und vergrub sein Gesicht in ihrem Haar. »Das hatte ich gehofft. Geh nicht weg, bitte.«
    Sie schmiegte sich an. »Ich hatte Angst, du wärst vielleicht der Mörder.«
    Entsetzt schob er sie von sich. »Bist du verrückt? Nein! Niemals! Wie kommst du denn darauf?«
    »Ich hatte dir alles erzählt. Und du hattest Zugang zu meinem Schlafzimmer. Du konntest meinen Pass stehlen. Aber das hat vermutlich Señora Rodriguez getan.«
    »Ich habe deinen Pass nicht. Und das bisschen, was du mir erzählt hast, reicht nicht, um selbst zum Killer zu werden.« Er schnaubte verächtlich. »Ich weiß ja noch nicht einmal, wie er die Frauen getötet hat. Hat er sie erschossen? Erstochen? Erwürgt? Ich würde erwürgen bevorzugen.« Er klang bitter.
    »Nein, er hat sie ausbluten lassen.«
    »Aha.« Er wandte sich ab und setzte sich auf das Sofa. »Gibt es noch etwas, was ich wissen muss als Mörder?«
    Sie folgte ihm. »Ich wusste nicht mehr, was ich denken sollte, deshalb habe ich für einen Moment angenommen, dass du es sein könntest. Mehr nicht. Es tut mir leid.«
    Er zog sie zu sich. »Ich war es nicht.«
    »Du hast auch keine Frau ausspioniert, die dein neues Opfer sein soll, das habe ich gesehen.«
    »Nein, natürlich nicht. Hast du mich etwa beobachtet?«
    Sie nickte.
    Er wirkte zunächst entsetzt, doch dann wurde sein Ausdruck weicher. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. »So eine also bist du! Eine ganz Durchtriebene! Nicht schlecht!« Er klang anerkennend. »Was habe ich denn so getrieben?«
    »Jedenfalls keine Frau verfolgt oder kaltblütig ermordet.«
    »Nein, ausnahmsweise mal nicht. Das hebe ich mir für dich auf.«
    Ihr Gesicht verdunkelte sich bei diesen Worten, so dass er sie schnell zurücknahm. »Nein, das mache ich nicht. Bitte glaube mir!«
    »Weißt du, ich bin ihm begegnet, zwei Wochen, bevor er mich umbringen wollte. Er  reichte mir ihm Supermarkt die letzte Packung Müsli, und ich dachte, der Mann wäre einfach nur nett. Aber er wusste genau, dass ich diese Sorte immer esse. Er sah ganz normal aus, wie ein Familienvater. Dass er der verrückte Mörder sein könnte, hätte ich niemals gedacht. So kann man sich täuschen.«
    »Er ist dir nie aufgefallen?«
    »Nie. Manchmal habe ich jemanden vorüberhuschen sehen, der anders wirkte als gewöhnlich. Oder einen Schatten gesehen, der da nicht hingehörte. Mein Unterbewusstsein hat vermutlich permanent aufgeschrien, aber bewusst ist mir nichts aufgefallen. Im Alltag stumpft man ab, es sind zu viele Menschen um einen herum, zu viele Gedanken im Kopf, zu viele Eindrücke, die man verarbeiten muss.«
    »Wonach hat er dich ausgesucht?«
    »Nach meinen Händen. Er hat in der Verhandlung ausgesagt, er hätte an der Ampel gestanden und meine Hände am Lenkrad im Auto gesehen. Da wusste er, die wollte er haben. Irre, absolut irre. Er hat sich das Kennzeichen gemerkt und die Stadt nach meinem Auto abgeklappert. Danach hat er mich verfolgt, jeden Tag, bis er wusste, wo er mich am besten erwischen konnte.«
    »Hat er das bei den anderen auch so gemacht?«
    »Ja. Irgendwie sind sie ihm aufgefallen, dann hat er sie beobachtet und verfolgt und dann schließlich abgeschlachtet.«
    »Wo hat man ihre Leichen gefunden?«
    »Nirgends, deshalb konnte er so lange morden, ohne dass es jemandem auffiel. Die Frauen sind verschwunden, wurden als vermisst gemeldet, aber nie gefunden. Er hat sie in einer Grube in seinem Garten verscharrt.«
    Ihre Stimme klang viel fester als noch vor ein paar Tagen, als sie ihm bereits einen Teil ihrer Geschichte erzählt hatte. Es fiel ihr auch wesentlich leichter, darüber zu sprechen. Auf einmal hatte sie das Gefühl, es sei schon länger her, dass ihr das passiert war.
    Sie setzte sich zu ihm. »Willst du alles wissen, was mir passiert ist?«
    Er nickte. »Wenn du es erzählen möchtest?«
    Für einen Augenblick überlegte sie, doch dann begann sie.
    Es dauerte länger als eine

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