Der gefährliche Traum (German Edition)
redeten. Max und Fritzi zogen es vor, zu schweigen.
Nachdem Max ein zweites Stück Torte verschlungen hatte, stand er auf und entschuldigte sich. Fritzis Mutter erklärte ihm den Weg zur Toilette und Max verließ den Salon.
Sein eigentliches Ziel aber war das Bildnis von Friederike von Hohenstein. Aus irgendeinem Grund musste er es sehen. Ob sie wirklich Fritzi ähnelte? Bild für Bild suchte er den Flur ab, fand sie aber nicht. Die Personen, die hier mit meist strengem Blick zu ihm herabschauten, hatten alle schon ihr bestes Alter überschritten. Ein Mädchen war nicht dabei. Vielleicht hing das Bild woanders.
Max schlich die Treppe in den zweiten Stock hinauf. Oben angelangt, blieb er überrascht stehen. Hier wohnte Fritzi? Fast bekam er Mitleid. Das Gärtnerhaus kam ihm plötzlich wie das Paradies vor. Der Flur wirkte wie eine Kopie der darunterliegenden Etage. Auch hier gab es jede Menge Gemälde und Jagdtrophäen, aber keinerlei heimelige Privatatmosphäre. Hoffentlich waren die Zimmer hinter den verschlossenen Türen gemütlicher. Max konzentrierte sich wieder auf die Bilder an der Wand. Vielleicht hing Friederike ja hier irgendwo, sozusagen im Schoß der Familie. Mit schnellen Schritten ging er an Landschaften, Obstschalen und schon längst verstorbenen Personen vorbei, als er abrupt stehen blieb. Er hatte es tatsächlich gefunden. Vor ihm hing das Bildnis eines Mädchens mit langem blond gelocktem Haar. Es saß auf einem Marmorbänkchen und trug ein weit ausladendes weißes Kleid mit goldenen Stickereien und zahlreichen kleinen blauen Schleifchen. Gebannt starrte Max auf das Mädchen. Es war hübsch und sah Fritzi wirklich ähnlich.
»Du hast sie also gefunden«, kam es plötzlich von hinten.
Max blieb beinahe das Herz stehen. Erschrocken drehte er sich um. Fritzi hatte sich mal wieder unbemerkt genähert.
»Wie machst du das immer?«, fragte er verärgert.
»Was?«
»Das Anschleichen. Jedes Mal tauchst du wie aus dem Nichts auf.«
Fritzi zuckte nur mit den Schultern. »Findest du auch, dass sie mir ähnlich sieht?«
»Schon etwas«, brummte Max und drehte sich wieder zum Bild um. Sein Blick fiel jetzt auf den Hintergrund. Irgendetwas kam ihm komisch vor. Max trat einen Schritt näher heran. Links von Friederike war das Schloss zu sehen, darunter die alte Buche. Rechts von ihr lag der Wald, der so düster gemalt war, dass Max plötzlich fröstelte. Hatte sich nicht eben etwas bewegt? Max stellten sich die Nackenhaare auf. Waren da nicht ein Schatten, zwei leuchtend rote Augen? Mit klopfendem Herzen sah sich Max um und entdeckte einen Stuhl. Ohne Fritzi um Erlaubnis zu fragen, holte er ihn und stieg hinauf.
»Was machst du da?«, fragte Fritzi verwirrt, bekam aber keine Antwort.
Max nahm sie überhaupt nicht wahr. Er war völlig in das Gemälde versunken. Ein Weg war plötzlich wie aus dem Nichts aufgetaucht. Je länger er hinstarrte, umso deutlicher konnte er ihn sehen. Er führte auf die Wegkreuzung
Am Kalten Stein
zu, wo das Gedenkkreuz an das traurige Schicksal des Mädchens erinnerte. Und direkt daneben stand ein großer, struppiger schwarzer Hund mit leuchtenden Augen. Dann drehte sich der Hund plötzlich um und lief auf einen schmalen Pfad zu, der durchs Unterholz führte. Max’ Blick folgte ihm. Und als hätte sich der Wald gelichtet, war da auf einmal eine Hütte. Fast wäre Max vom Stuhl gefallen. Er kannte die Hütte. Es war die gleiche wie in seinen Träumen. Was hatte das zu bedeuten?
Kreidebleich drehte er sich zu Fritzi um.
»Siehst du auch den Hund?«
»Du immer mit deinem Hund! Da ist keiner.«
»Er hat sich sogar bewegt.«
»Sich bewegt? Auf dem Bild?« So wie Fritzi ihn ansah, hielt sie ihn für völlig übergeschnappt.
»Kannst du denn wenigstens die Hütte sehen?« Max klang verzweifelt.
Fritzi schüttelte den Kopf. »Ich sehe nur dichten, undurchdringlichen Wald. Lass mich mal auf den Stuhl steigen. Vielleicht muss man ja näher rangehen.«
Doch auch das half nichts. Und als Max jetzt wieder zu dem Gemälde hinsah, konnte auch er keinen Hund und keine Hütte mehr erkennen.
»Ich glaube, ich werde langsam verrückt. Jetzt kann ich auch nichts mehr sehen.« Max rieb sich die Augen, was aber nichts half. Der Hund und die Hütte blieben verschwunden. Ohne noch ein weiteres Wort darüber zu verlieren, ging er in den Salon zurück. Fritzi folgte ihm schweigend. Es war ihr deutlich anzusehen, dass ihr tausend Fragen auf der Zunge lagen, die sie sich lieber verkniff.
Als
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