Der gefaehrliche Verehrer
eine gute Ehe, geht zur Kirche und hat in den letzten zwei Wochen seine Frau zu ihren Schwangerschaftskursen begleitet.«
»Über die Morgenmoderatoren gibt es nichts.« Boyd nahm noch einen Schluck Limonade und wünschte, es wäre eiskaltes Bier.
»KHIP ist eine einzige große, glückliche Familie.«
»So sieht es aus«, murmelte er. »Harrison wirkt solide, aber ich überprüfe ihn noch. Er ist derjenige, der sie eingestellt hat, und er hat sie regelrecht verfolgt und hat ihr eine ordentliche Gehaltserhöhung und ein paar hübsche Extras angeboten, um sie nach Denver und zu KHIP zu locken.«
Althea nahm bedächtig ein weiteres Fruchtgummi. »Was ist mit diesem McGillis?«
»Ich erwarte einen Anruf aus Chicago.« Boyd öffnete eine andere Akte. »Da ist dieser Wartungsmonteur. Billy Lomus. Kriegsveteran – ›Purple Heart‹ und ein ›Silver Star‹ in Vietnam als Auszeichnungen für Tapferkeit. Scheint ein Einzelgänger zu sein. Bleibt nie länger als ein Jahr an einem Ort. Vor zwei Jahren hielt er es eine Zeit lang in Chicago aus. Keine Familie. Keine nahen Freunde. Hat sich vor etwa vier Monaten in Denver niedergelassen. Pflegeheime als Kind.«
Althea blickte nicht auf. »Hart.«
»Ja.« Boyd betrachtete ihren gesenkten Kopf. Nur wenige wussten, dass Althea Grayson als Kind von Pflegeheim zu Pflegeheim geschoben worden war. »Sieht nicht so aus, als hätten wir innerhalb des Senders viel Glück.«
»Nein. Vielleicht halten wir uns lieber an McGillis.« Sie blickte auf, das Gesicht ruhig, die Stimme gleichmäßig. Nur wer sie gut kannte, konnte sehen, dass sie noch immer wütend war. »Willst du mit Jackson oder Peters anfangen?«
»Jackson.«
»Okay. Versuchen wir es zuerst auf die einfache Tour. Ich rufe an und bitte ihn herzukommen.«
»Danke, Thea«, fügte er hinzu, bevor sie aufstehen konnte, »du wirst mich verstehen, wenn es dich selbst erwischt hat. Ich kann meine Gefühle nicht abschalten, und ich kann mich nicht von meiner Aufgabe zurückziehen, für die ich ausgebildet bin.«
Sie seufzte nur. »Gib bloß auf dich acht, Partner.«
Das hatte er vor. Und während er auf sich acht gab, wollte er auch über Cilla wachen. Sie wird sich nicht darüber freuen, dachte Boyd, während er die Akten studierte. Von dem Moment an, in dem er ihr gesagt hatte, dass er sie liebte, hatte sie versucht, sich zurückzuziehen.
Aber sie hat keine Angst vor mir, überlegte er. Sie hat Angst vor sich selbst. Je tiefer ihre Gefühle für ihn gingen, desto mehr Angst hatte sie, sie sich einzugestehen. Seltsam, aber er hätte nicht gedacht, dass er die Worte hören musste. Doch es war so. Mehr als alles andere brauchte er es, dass sie ihn ansah und ihm Liebe gestand.
Ein Lächeln, eine Berührung, ein Stöhnen in der Nacht – das war nicht genug. Nicht bei Cilla. Er brauchte das Band, das Versprechen, die Verbindung durch Worte. Drei Worte, dachte er. Ein einfacher Satz, der leicht gesagt wurde, oftmals zu leicht – und das Leben von Menschen verändern konnte.
Cilla würden diese Worte nicht leichtfallen. Falls sie aber einmal diesen Satz durch die Barriere ihrer Selbstzweifel und ihrer Selbstverteidigung hindurchpressen konnte, würde sie ihn von ganzem Herzen meinen. Und das war alles, was Boyd brauchte. Und er würde nie zulassen, dass sie diese Worte zurücknahm.
Im Moment musste er seine eigenen Wünsche und Sehnsüchte zurückstellen und Cop sein. Um ihre Sicherheit zu garantieren, musste er das sein, was sie am meisten fürchtete. Um ihretwillen konnte er es sich nicht leisten, zu eingehend darüber nachzudenken, welche Richtung ihrer beider Leben einschlagen würde, sobald er einmal die Akten schloss.
»Boyd?« Althea steckte den Kopf zur Tür herein. »Jackson ist unterwegs hierher.«
»Gut. Wir sollten Peters erwischen können, bevor er sich im Sender meldet. Ich möchte …« Er unterbrach sich, als das Telefon neben ihm klingelte. »Fletcher.« Er winkte Althea zurück. »Ja. Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie das für mich überprüft haben.« Er deckte das Telefon einen Moment mit seiner Hand ab. »Chicago Police District. Ja, richtig«, sagte er in den Hörer. »John McGillis.« Er griff nach einem Stift und machte sich Notizen auf einem Block. Mitten im Wort stockten seine Finger. »Wann?« Er fluchte leise und hart. »Irgendwelche Angehörige? Hat er einen Abschiedsbrief hinterlassen? Könnten Sie ihn faxen? Ja, richtig.« Auf den Block schrieb er in Großbuchstaben: SELBSTMORD.
Schweigend
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