Der Gefährte des Wolfes: Tristan (German Edition)
Gefährte ist kein Freund von Überraschungen«, erklärte Raul mit einem Grinsen.
»Darauf wäre ich nie gekommen.« Benjamin lachte. »Idiot«, fluchte er dann leise.
»Alex?«
Benjamin blickte auf und zog einen Mundwinkel hoch. »Der sowieso, aber eigentlich meinte ich Tristan. Er kann von Glück sagen, dass er nicht tot ist. Danke, dass du ihn beschützt hast.«
Raul zuckte die Schultern. »Du würdest dasselbe für mich tun.«
»Na klar. Ich seh‘ schon förmlich vor mir, wie ich Alex zu Hilfe eile.«
»Wir können nicht wissen, was das Schicksal mit uns vorhat«, gab Raul zur Antwort. Sein Tonfall war ernster geworden und hatte einen leicht philosophischen Klang angenommen. »Wer hätte gedacht, dass alles so kommen wird?«
»Auch wieder wahr. Vieles im Leben ist nicht vorhersehbar. Er ist übrigens ihr Nachkomme«, sagte Benjamin. »Anne Northland, die Hexe, die meine Familie verflucht hat. Tristan ist ihr Nachkomme.«
»Du machst Witze! Ist sie nicht bei der Geburt ihres Kindes gestorben?«
»Ja, aber sie hatte einen Zwillingsbruder. Als Tristan die Sache mit dem Fluch herausgefunden hat, ist er hergekommen um mich zu retten.«
Eine Weile saßen die beiden Männer einfach nur schweigend nebeneinander. Es war schon über ein Jahr her, dass sie sich zum letzten Mal gesehen hatten, aber an ihrer Freundschaft hatte sich nichts geändert und das vertraute Gefühl war noch immer da. Da waren Worte nicht immer notwendig.
»Schon vom ersten Moment an, als ich ihn gerochen habe, wusste ich, dass er Ärger bedeuten würde.«
Raul nickte verständnisvoll. Er hatte genau dasselbe erlebt, als er damals an der Grenze zwischen Benjamins Besitz und dem Land des Onondaga-Rudels gestanden hatte. An diesem Ort hatte er Alex zum ersten Mal gesehen. Sein Herz hatte wie wild geklopft, seine Kehle war ihm so eng geworden, dass er kaum hatte atmen können, und sein gesamter Körper hatte danach geschrien, den Alpha zu berühren.
»Ich will ihn zurück«, flüsterte Benjamin so leise, dass Raul sich fragte, ob er mit sich selbst sprach.
»Tristan?«
Benjamin lächelte und stieß Rauls Bein mit dem Fuß an. »Nein.« Er versenkte seine Finger im dichten Fell an den Ohren des Wolfes, streichelte und massierte es. »Meinen Wolf. Ich will ihn zurück in meinem Körper haben.«
»Warum?«, fragte Raul überrascht. »Dir geht es doch gar nicht so schlecht, wie Tristan uns gegenüber behauptet hat.«
»Seit er meinen Wolf nach Hause gebracht hat, geht es mir besser. Die Nähe tut uns beiden gut.« Benjamin rieb dem Wolf über die Schnauze. Das Tier schloss die Augen, doch der genießerische Ausdruck auf seinem Gesicht war deutlich erkennbar. »Aber es geht nicht nur um die körperliche Schwäche. Ich vermisse ihn, Raul. Während meines ganzen Lebens als Erwachsener war er ein Teil von mir. Und dort, wo er sein sollte, ist jetzt ein tiefes Loch in meinem Inneren.«
»Du hast dir gewünscht, ihn loszuwerden.«
»Das war falsch«, gab Benjamin ohne Zögern zu. »Vielleicht wäre es anders, wenn ich Tristan nicht hätte, aber ich bin nicht nur als Mensch, sondern auch als Wolf mit ihm verbunden. Du weißt, wie sich das anfühlt.« Raul nickte zustimmend und ermutigte Benjamin dadurch, weiterzusprechen.
»Ohne den Wolf ist es anders. Fühlt sich anders an. Ich liebe ihn immer noch ganz genauso, aber es ist eine rein menschliche Liebe.«
»Das hab‘ ich noch nicht erlebt, also glaub‘ ich dir einfach, dass es sich anders anfühlt«, meinte Raul. »Aber ich weiß, was ich für Alex empfinde, und ich kann mir nicht vorstellen, das zu verlieren.«
»Tristan und sein Zwillingsbruder sind unten. Sie arbeiten an einem Zauber, um uns wieder zu vereinen.«
Raul zog die Augenbrauen hoch. »Er hat einen Zwillingsbruder?« Die Bemerkung erweckte eine unerwartete Sehnsucht in ihm. Trotz der Kluft, die die Intrige seines Bruders zwischen ihnen geschaffen hatte, vermisste er ihn.
»Ja, Will. Er ist gestern aus England angekommen. Die Ähnlichkeit zwischen den beiden ist ziemlich bemerkenswert«, fügte Benjamin hinzu.
Die Tür zum Schlafzimmer flog so heftig auf, dass sie mit einem lauten Knall gegen die Wand krachte.
»Was zum Teufel machst du hier?«, brüllte Tristan, marschierte geradewegs auf Raul zu und starrte ihn wütend an. Er hatte die Stimme des Werwolfs von draußen gehört und die Eifersucht hatte ihm einen schmerzhaften, glühend heißen Stich versetzt. Raul gehörte nicht hierher, nicht in Benjamins Schlafzimmer und
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