Der Gefährte des Wolfes: Tristan (German Edition)
Raul den Kaffee eingegossen und sich zu ihm gesetzt hatte.
»Dann erzähl mal, worum es geht«, begann er. »Alex war sehr schweigsam, sogar für seine Verhältnisse.«
Raul fasste die Ereignisse kurz zusammen, versuchte aber, so viele Einzelheiten wie möglich einzubringen. Ian unterbrach ihn nicht, sondern wartete, bis Raul geendet hatte. Einige der Fragen, die er anschließend stellte, konnte Raul beantworten, andere wiederum nicht. Als er etwa zum fünften Mal mit Ich weiß nicht, da müssen wir Tristan fragen geantwortet hatte, entschied er, dass es sinnvoller wäre, die beiden Männer direkt miteinander sprechen zu lassen.
Ein Telefonat und eine hastige Dusche später erreichten sie nach einer holprigen Fahrt mit dem Truck den staubigen Feldweg nahe der Northland-Lichtung. Sie parkten das Fahrzeug an einer Buschreihe neben dem Weg, bevor sie zu Fuß weitergingen.
Aus seinen hellen blauen Augen nahm Ian mit wachem Blick alles in Augenschein und begutachtete ihre Umgebung. Mit einem tiefen Atemzug sog er die kühle Luft in sich ein und murmelte: »Ein mächtiger Ort.«
Raul hatte dem Schamanen von der Geschichte der Lichtung erzählt, aber auch er war überrascht, dass die Energie so stark war. Sie ließ ihm buchstäblich die Haare zu Berge stehen. »Es fühlt sich an, als sollte ich nicht hier sein.«
»Unsinn«, widersprach Ian. »Es ist keine dunkle Macht, sondern nur eine ziemlich starke. Es liegt immer an unseren Entscheidungen, wie sie genutzt wird.«
Raul war nicht wirklich überzeugt und fühlte sich immer noch ein wenig unwohl. Sie folgten Tristans Wegweisung und als sie eine dichte Baumreihe durchquert hatten, standen sie Tristan, Will, Benjamin und Josh in einiger Entfernung gegenüber, die sich bereits auf der Lichtung befanden.
Ian trat an den nächsten Baum heran, legte eine Hand auf den Stamm und murmelte etwas so Leises, dass Raul es nicht verstehen konnte. Dessen Blick huschte über das hohe Gras am Rand der Lichtung, von wo ihm der Geruch von Benjamins Wolf entgegenwehte. Das Tier ruhte im Schatten einer großen Eiche und hatte ein wachsames Auge auf die Männer auf der Lichtung. Als er die Ankunft von Raul und Ian bemerkte, erhob er sich, um sich zwischen Benjamin und Tristan und die Neuankömmlinge zu schieben.
»Alles in Ordnung, Junge«, beruhigte Benjamin den Wolf und fuhr mit der Hand durch das gesträubte Nackenfell. »Er weiß immer noch nicht genau, wie er auf dich reagieren soll«, rief er über die Lichtung hinweg und kam ihnen entgegen, um Raul zu umarmen. »Ich glaube, es verwirrt ihn, dass er unterschiedliche Signale von uns beiden auffängt. Tristan vertraut dir immer noch nicht wirklich.«
Er ließ Raul los und wandte sich dem hochgewachsenen, schlanken Mann an seiner Seite zu. Er hatte die leicht gebeugte Haltung eines Menschen, der mit seiner Größe nicht immer umzugehen wusste. »Ich bin Benjamin.«
»Oh ja, das bist du.« Ian grinste, nahm die angebotene Hand und umschloss sie mit beiden Händen. Er hielt sie eine Weile fest und die Verbindung zwischen ihnen aufrecht, während er Benjamin in die Augen starrte, bis dieser schon unruhig wurde. Der Wolf knurrte leise und schob sich zwischen die beiden.
»Ich habe nichts Böses im Sinn«, wandte sich Ian direkt an den Wolf. Er ging in die Hocke, um ihm seine guten Absichten zu verdeutlichen. Zu Rauls und Benjamins Überraschung entspannte sich der Wolf, er ließ die Zunge aus dem Maul hängen und wedelte mit dem Schwanz. Zum Schluss leckte er Ian noch einmal über die Hand, bevor er sich umdrehte und zurück in den Schatten trottete.
Benjamin hatte die Szene voller Ehrfurcht beobachtet. Sogar als sie noch miteinander verbunden gewesen waren, hatte sein Wolf nie so problemlos reagiert. »Wie haben Sie das gemacht?«
Ian stand ruhig da und ein geheimnisvolles Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Ich habe ihm erlaubt, in mein Herz zu sehen. Jetzt weiß er, dass ich weder für dich noch für Tristan eine Bedrohung bin. Das ist das Einzige, was ihn interessiert.«
»Sie können so etwas?«, fragte Raul verwirrt.
Der alte Mann nickte. »Als Schamane kann ich sowohl mit der menschlichen als auch mit der wölfischen Hälfte der Rudelmitglieder kommunizieren. Häufig entstehen Probleme, weil unsere beiden Seelenhälften nicht miteinander im Einklang sind, und um ehrlich zu sein: die menschliche Seite ist nicht immer ein guter Übersetzer. Ich habe es allerdings noch nie bei einem wilden Wolf versucht, aber dann fiel
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