Der Gefährte des Wolfes: Tristan (German Edition)
mir ein, dass er das ja gar nicht wirklich ist, nicht wahr?«
Für eine Weile konzentrierte sich Ian auf den Wolf, während er immer noch Benjamins Hand hielt. Ohne Vorwarnung wandte er sich dann Benjamin zu. »Es ist dir bestimmt, ein Wolf zu sein. Warum hast du diesen Teil von dir verleugnet?«
Benjamin geriet ins Stottern. Die sanfte Berührung des Schamanen in seinem Geist hatte ihn aus dem Konzept gebracht. Beinahe fühlte es sich so an, als säße jetzt ein fremder Wolf an derselben Stelle, an der vorher sein eigener war. Er versuchte, sich zurückzuziehen, aber die Hände, die ihn hielten, ließen nicht los.
Panik stieg in ihm auf, er fühlte sich wie ein Tier in der Falle. Doch plötzlich legten sich starke Arme um seine Taille und die Brust seines Gefährten schmiegte sich gegen seinen Rücken.
»Wir sind zu demselben Schluss gekommen«, sagte Tristan ernst. »Können Sie uns helfen?«
Die Anspannung verließ Benjamin, da Tristans Berührung sie in die Erde ableitete. Er ließ sich tiefer in seine Umarmung sinken. Jetzt, wo er sich beruhigt und geerdet fühlte, erschien ihm Ians Frage sehr viel weniger bedrohlich.
»Ich wurde so erzogen, es als einen Fluch anzusehen. Erst als ich es – als ich ihn – verloren habe, habe ich verstanden, dass er ein Teil... Nein, das stimmt nicht. Er ist nicht nur ein Teil von mir. Er ist ich. Genauso wie ich er bin.«
Ian lächelte und ließ Benjamins Hand los. »Ich werde dir helfen.«
»Warum fühlt es sich so an, als hätte ich gerade eine Art Test bestanden?«, fragte Benjamin.
Raul lehnte sich zu ihm rüber, um ihm leise ins Ohr zu flüstern: »Weil das wahrscheinlich der Fall ist.«
Während Ian es Benjamin erklärte, ging er ins Zentrum der Lichtung, wo Will und Josh warteten. Die beiden waren ganz offensichtlich auf die Neuankömmlinge gespannt, wollten sich aber nicht in das Gespräch einmischen.
»Ein Wolf zu sein, in einem Rudel zu leben… das ist eine große Ehre. Jemand, der das nicht versteht und der auch seinen Wolf nicht ehrt, kann nie zu uns gehören. Ich musste sicher sein, dass du es verstehst.«
»Dich kenne ich. Du bist Annalyns Cousin«, begrüßte der Schamane Josh. Er umfasste seine Schulter und rieb die Wange an seiner. Dann wandte er sich Tristans Zwilling zu und hielt inne. Beide Männer betrachteten einander prüfend, versuchten, die Macht des jeweils anderen abzuschätzen.
Schließlich ließ der Schamane ein lautes, bellendes Lachen erklingen, das die Stille durchbrach. »Du musst Will sein. Der Name passt wie kein zweiter zu dir. Wenn du genauso mächtig wie stur bist, dann sollten wir keinerlei Probleme haben.«
Tristan schnaubte. »Das ist noch nett ausgedrückt. Gram hat immer gesagt, das er genug Sturheit für drei besitzt.«
»Und sie hat gesagt, dass du mit dem Herzen denkst und nicht mit dem Kopf«, konterte Will.
»Und ich bin mir sicher, sie hat beides als Kompliment gemeint«, unterbrach Ian die aufkommende, geschwisterliche Kabbelei. »Bei der Göttin, sie muss eine Engelsgeduld gehabt haben, um euch beide aufzuziehen.«
Benjamin und Josh stimmten in das Lachen mit ein. Will und Tristan hatten zumindest den Anstand, ein wenig schuldbewusst auszusehen.
»Gentlemen, sollen wir uns dann an den Plan machen?«, schlug Ian vor, kreuzte die Beine und ließ sich mit einer Anmut auf dem Boden nieder, die sein Alter Lügen strafte. Besonders Raul fiel es auf, da er den Schamanen kannte und über seine körperlichen Gebrechen Bescheid wusste. Die grünen Augen verengten sich und er warf Ian einen fragenden Blick zu.
Der alte Mann zwinkerte ihm zu. »Die Kraft dieser Lichtung lässt sich sehr leicht anzapfen. Und das meiste davon beruht auf Heilung. Es würde mich nicht wundern, wenn sich hier in der Nähe eine Quelle befindet, die ebenfalls eine therapeutische Wirkung besitzt.«
»Sie können gerne danach suchen, wenn Sie möchten«, bot Benjamin an. »Laut den überlieferten Aufzeichnungen war Anne Northland in erster Linie eine Heilerin und hat hier auf der Lichtung gearbeitet. Sollte in der Umgebung etwas nützlich oder hilfreich sein, haben Sie natürlich freien Zugang dazu.«
»Den braucht er auch, damit es funktioniert«, kommentierte Tristan, setzte sich neben Ian und zog sein Notizbuch aus der Tasche. »Damit Magie funktionieren kann, müssen die einzelnen Bestandteile vom Besitzer freiwillig gegeben werden.«
»Ich schätze, dann musst du derjenige sein, der die Übergabe macht«, fügte Benjamin hinzu.
Tristan
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