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Der Gefangene der Wüste

Der Gefangene der Wüste

Titel: Der Gefangene der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Seitdem werden bei mir nur magere Hammel geschlachtet. Fettiges Gebäck esse ich nie, oder nur bei Besuchen, um nicht unhöflich zu sein. Hinterher nehme ich ein Pulver.«
    Bender zog die Brauen zusammen. »Wer hat Ihnen das verschrieben?«
    »Jussuf.«
    »Kann ich das Pulver einmal sehen?«
    »Im Kasten neben meinem Kopf.«
    Dr. Bender suchte in der Art Nachttisch, bis er eine Dose fand, bei der Achmed nickte. Sie war mit einem weißen Pulver gefüllt, und Dr. Bender beleckte seine Fingerspitze und nahm eine Probe heraus.
    »Dagegen kann man nichts sagen … das war richtig. Es ist ein Magnesiumpulver. Aber warum haben Sie nie einen richtigen Arzt aufgesucht, Ali?«
    »Wo denn?« Achmed starrte an Bender vorbei gegen die reich mit Goldmalerei verzierte Wand. »Der nächste Arzt ist in Hassi-Messaoud … er ist ein Weißer. Von der Ölgesellschaft.«
    »Dr. Prillier, ich weiß. Er hätte Ihnen schon vor Jahren geholfen!«
    Achmed schwieg. Aber auch ohne Worte wußte Bender, was Achmed dachte. Der Haß gegen die Weißen war zu groß gewesen, um sich von ihnen berühren zu lassen, selbst wenn es ein Arzt war. In Ouargla und El-Goléa praktizierten dann die ersten algerischen Ärzte, meistens in den neu eingerichteten Krankenhäusern. Aber ein Scheich Achmed fährt doch nicht wegen eines Magendruckes nach Ouargla! Soll man ihn auslachen? Ein Pulver genügt, ein Pulver hat immer geholfen … bis jetzt …
    Achmed, befreit von allen Schmerzen, schwebend wie auf einer Wolke, eingehüllt in ein Gefühl von solcher Seligkeit, wie er es nie gekannt hatte, hob den Kopf. Bender drückte ihn sanft wieder in die Kissen zurück.
    »Sie bleiben bei mir, Doktor? Sie verlassen mich nicht?«
    »Nein, Ali.« Dr. Bender lächelte schmerzlich. Wie total verrückt dieses Leben ist, dachte er. Vor ein paar Stunden war ich ein Aussätziger, ein Stück Dreck, weniger als Ludwig, dieser kleine, struppige Hund, diese elende, verkommene Kreatur von einem Bastard … ich lag unter dem Sandsturm, und hätte er mich begraben, wäre ich in ihm erstickt. Ich wäre an der Mauer verfault, bis mich die Hyänen gewittert hätten oder die ewig über den Menschen kreisenden Geier. Aber dann wird Cathérine von einem Gepard zerfetzt, dann bekommt ein Wüstenscheich einen Magendurchbruch … und die Welt, diese verfluchte Welt ist wieder heil, man wird eine Kraft, an die sich andere klammern, der Aussatz fällt ab wie harmloser Grind, man rechnet und bettelt um Vergessen … welch eine schleimige, widerliche Masse Schlamm ist doch der Mensch!
    »Ich bleibe bei Ihnen«, sagte Bender mit trockener Kehle. »Ich fliege mit Ihnen nach Algier. Schon wegen Saada –«
    Der Körper Achmeds zuckte auf. Noch im Weggleiten des Morphiumschlafes erreichte sein Hirn der Name, der für ihn alles bedeutete. Mit großer Mühe riß er die Augen auf.
    »Was … Doktor … Sie … Warum soll Saada in Algier sein?«
    »Es ist eine Idee von mir. Ich kann es nicht erklären. Ich weiß nur, daß Serrat in Algier ist. Und mit Serrat wurde Saada zuletzt gesehen.«
    Die Augen fielen Achmed zu. Die Injektion wirkte jetzt mit aller Stärke. Aber jetzt wollte er nicht schlafen, jetzt stemmte er sich gegen den Freund, der ihm die Schmerzen wegnahm. Verzweifelt warf er die Arme hoch … er meinte wenigstens, daß er es tat, in Wahrheit zuckte nur seine Hand um ein paar Zentimeter in die Luft.
    »Saada –«, schrie er. »Doktor, sagen Sie die Wahrheit! Sie wissen mehr, mehr! Sie wissen es! Sie Ausgeburt der Hölle! Was hat Serrat mit Saada gemacht?!«
    Achmed tobte … aber es war nur ein inneres Toben. Nur er hörte seine Worte, bettete sich in seinen Schrei … aus dem Mund kam nur ein unverständliches Stammeln, bis auch dieses erlosch. Ali ben Achmed schlief.
    Zehn Minuten später landete der Hubschrauber, den Navrimont vom Camp XI nach Bou Akbir weitergeschickt hatte. Cathérine lag schon hinten, festgeschnallt auf einer Trage. Der kleine Blutrache-Italiener saß neben ihr auf einer Eisenkiste und hielt die Infusionsflasche hoch. Er grinste verlegen, als Dr. Bender aus dem Haus gerannt kam und in die Kanzel des Hubschraubers blickte. Der Pilot, Léon Boucher, der Dr. Bender damals von Ouargla zur Station XI gebracht hatte, legte die rechte Hand mit einem militärischen Gruß an die Lederkappe.
    »So sehen wir uns wieder, Doktor?« brüllte er durch den Lärm der Rotorflügel. »Sie sehen nicht erholt aus!«
    Aus dem Haus trugen vier Diener den in eine schneeweiße Dschellabah

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