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Der Gefangene der Wüste

Der Gefangene der Wüste

Titel: Der Gefangene der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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übereinander gebauten Häusern, Gängen, Zimmern, Terrassen, Dächern und Kellern wohnten die Mädchen Hadschars. In Zimmern, die prunkvoll waren, wenn man an die Hütten in den heißen, staubigen Oasen dachte, an die Höhlen in den Atlasbergen, an die schwankenden Zelte in der Wüste.
    Hier gab es weiche, breite Betten, nicht, um in ihnen das Geld zu verdienen – dazu hatte Hadschar andere Zimmer, raffinierte Liebeshöhlen mit Spiegelwänden und Spiegeldecken, indirekter Musik und verborgenen Kameras, denn hier lag ein anderes Geschäft des dicken Glatzkopfes, das ihm mehr einbrachte als alle Bars – nein, diese schönen Zimmer gehörten allein den Mädchen zum privaten Gebrauch, zur Ruhe und dem Gefühl, sich ein bevorzugtes Leben zu erkaufen durch die Darbietung ihres Körpers. Je drei Mädchen hatten ein eigenes Badezimmer, in einem Innenhof befand sich ein großer Swimming-Pool für alle, umgeben von einer säulengetragenen Liegehalle. Das Essen kochten die Barköche mit, es war reichlich und auserlesen. Fruchtsäfte aller Art standen zur Verfügung, nur im ›Dienst‹ wurde Alkohol getrunken, aber auch hier gab es gewisse Tricks, die der liebestolle Gast nicht merkte.
    Für die meisten Mädchen, die als ›Pilgerinnen‹ ihre Dörfer und Elendshütten verlassen hatten, öffnete sich bei Hadschar das wahre Paradies. Daß sie ihre Körper dafür opfern mußten … es war kein allzu hoher Preis! In der Wüste wäre der schöne Körper verdorrt und ausgetrocknet, man wäre die Frau eines Bauern geworden und hätte von morgens bis in den Abend arbeiten müssen, mehr als ein Kamel und weniger gut behandelt als dieses. Und die Kinder wären gekommen wie die Feldfrüchte, jedes Jahr, bis der Schoß unfruchtbar wurde gleich einem nie gedüngten Acker, und dann wäre eine andere, jüngere Frau ins Haus gekommen, und man hätte als lästiger Mitesser in der Ecke gehockt, abgeschoben, weggeworfen wie eine alte Schaufel, denn eine Frau ist nur dann etwas wert, solange sie arbeiten und Kinder gebären kann.
    Welch ein Zaubergarten war da das Reich Hadschars. Mit welcher Liebe genoß man dort die Körper. Wie viele Dinare flossen in die Hände der Mädchen, von denen Hadschar keine Ahnung hatte. Wie wunderbar war das Leben in den Gärten, in den Zimmern mit den Klimaanlagen, in dem Schwimmbad, in dem man nur nackt herumschwamm, in der Sonne glänzend wie ein Goldfisch.
    Ali Hadschar zeigte das alles Saada mit einer großen, fast königlichen Gebärde. Sie standen auf einem Balkon über dem Innenhof und sahen hinunter auf das blaue schimmernde Wasser des Schwimmbeckens. Die Mädchen, die mit Saada neu ins Haus gekommen waren, rannten bereits nackt durch den Garten und warfen sich mit hellem Jauchzen in das Wasser. Es war ein schönes Bild, und Hadschar grunzte zufrieden.
    »Sie sind glücklich«, sagte er und streichelte Saadas Nacken. Wie eine Katze fuhr sie herum und schlug seine fette Hand weg. »Für sie bin ich ein kleiner Gott. Von einem solchen Leben haben sie nie zu träumen gewagt … nun gehört es ihnen. Auch du solltest das einsehen, Saada.« Hadschar lehnte sich an die Brüstung und betrachtete wohlgefällig die schwimmenden, hübschen, fröhlichen Mädchen. In drei, vier Jahren werden sie nicht mehr lachen, dachte er, aber es war nichts Schwermütiges oder gar Moralisches in seinen Gedanken. Sie werden verbraucht sein wie ein Scheuerlappen, und was macht man mit einem alten Tuch? Man wirft es weg, in den Müll. Für Hadschar war der Müll, auf dem die verbrauchten Mädchen landeten, das weite, unergründliche, schweigsame und alles aufnehmende Mittelmeer. So gesehen, war Hadschar ein Massenmörder von unvorstellbaren Ausmaßen. Seit zwanzig Jahren betrieb er seine Bars, und wenn man ausrechnet, wie oft er in dieser Zeit seine Mädchen ausgewechselt oder einzeln ausgetauscht hatte, war Hadschar der direkte Abkomme des Satans. Um keine Zeugen zu haben, besorgte er die Beseitigung des ›Mülls‹ allein. Er lud das Opfer zu einer Bootsfahrt ein, betäubte es auf dem Schiff, tötete es human mit Gas und versenkte es dann in einem neutralen Nylonsack, zerreiß- und verrottungsfest, gefüllt mit schweren Steinen, im Meer. Es war in den zwanzig Jahren noch kein Sack wieder an die Oberfläche gekommen. Zu den Gästen aber sagte Hadschar: »Fatima? Sie ist zurück zu ihren Eltern. Ein süßes Mädchen, wirklich. Aber sie hatte nur einen Vertrag über vier Jahre, und Geld hatte sie genug verdient. Warum soll sie jetzt

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