Der Gefangene der Wüste
Glöckchen umgaben. Um die Stirn legte man Saada ein Band aus bunten, glitzernden Steinen, während man die herrlichen langen Haare frei über den Rücken fließen ließ.
Hadschar kam selbst in die Garderobe, um Saada zu begutachten. Er war ein paar Sekunden sprachlos vor dieser Schönheit. »Alles ist echt«, sagte er dann. »Das Gold der Ketten, der Münzen, der Armreifen. Und die Steine auf dem Stirnband sind auch echt. Weißt du, was es kostet?« Und als Saada keine Antwort gab, fuhr er fort: »Vierzigtausend Dinare! Ich habe zehn starke Männer im Saal stehen, die auf den Schmuck aufpassen. Sie schießen sofort auf jeden, der den Schmuck anfaßt. O Allah, welch schöne Menschen läßt du wachsen.«
Er ging um Saada herum und betrachtete sie von allen Seiten. Sein Besitzerstolz war grandios. Er machte ihn blind für die Blicke Saadas, vor allem vor ihrer Sanftmut, mit der sie jetzt alles über sich ergehen ließ.
»Der Abend wird Amar ben Fezzan gehören«, erklärte Hadschar nach seiner Besichtigung. »Er war der Glückliche, der dich gewann.« Hadschar senkte den dicken Kopf. »Für Schwierigkeiten hat er kein Ohr. Er ist ein reeller Händler … er hat gezahlt und will die Ware. Es hat keinen Sinn, ihm dein Leid zu klagen. Er ist der beste Mann, um dich in dein neues Leben einzuführen. Und nun los … auf die Bühne …«
Willig ließ sich Saada durch einen engen Gang bis zu einer Tür führen, hinter der gedämpfte Musik erklang. Aber als sie sich jetzt öffnete, erdrückte sie der Lärm, der ihr wie eine Woge entgegenprallte. Vor ihr standen Kulissen, dahinter ahnte sie das Podium der Bühne, auf der gerade vier Bauchtänzerinnen ihr Können zeigten. Rechts von der Bühne saß das Orchester, eine geballte Masse kreischender und bumsender Instrumente, Trommeln dröhnten dumpf, dazwischen das aufreizende, helle Schreien eines Waldes von Flöten und Klarinetten. Im Saal wogten Tabakwolken über die Bühne, ein Stimmengewirr übertönte sogar die Musik. Dann wurde geklatscht, die Musik schwieg, heisere Rufe begleiteten die abgehenden Tänzerinnen.
»Nun du!« sagte eine der »Hausdamen«. Hadschar war längst verschwunden … er saß vorne in der ersten Reihe am Tisch von Amar ben Fezzan und wischte sich die Glatze mit einem großen Taschentuch.
»Was soll ich denn tun?« fragte Saada. Das Orchester setzte wieder ein, leise, schmeichelnd, süß. Hadschar hatte diese Melodie extra für Saada einstudieren lassen … ein Tanz auf Rosen, hatte er auf dem Programm stehen.
»Geh hinaus und bewege dich. Wie, das ist gleichgültig. Mach es so, wie du es auf dem Schiff geübt hast. Es ist ohne Bedeutung, wie du dich bewegst … sie fressen dich immer mit den Augen.«
»Und wenn ich nicht auf die Bühne gehe?«
»Denke an Fatma.« Die ›Hausdame‹ schüttelte den Kopf, als Saada sie anstarrte. »Er wird es auch mit dir machen, er kennt kein Erbarmen. Es ist ein Felsblock! Geh jetzt –«
Saada hatte keine Zeit, sich von ihrer Verwunderung zu erholen. Sie bekam einen Stoß und taumelte auf die Bühne. Als sie hinaustrat in die Scheinwerfer, die rotes Licht über die Dekoration gossen und Saadas Auftreten wie aus einem roten Nebel zauberten, klang kurz und hell ein Gong auf.
Das Wunder, von dem Hadschar gesprochen hatte, wurde Wirklichkeit. Die schönste Frau der Wüste tanzte.
Amar ben Fezzan saß bewegungslos neben Hadschar auf seinem gepolsterten Stuhl. Er wirkte wie eine Statue … nur die Augen lebten und verfolgten die ersten Schritte Saadas. Im Saal war es jetzt ganz still, – das Stimmengewirr war verebbt, ein irischer Seemann, der an der Bar gerade laut einen Whisky bestellte, bekam einen Schlag auf den Mund.
Was Saada auf der Bühne bot, war kein Tanz, es war ein Abschreiten der Bühnenfläche, ein Hin- und Hergehen wie ein Raubtier hinter seinen Gittern. Das Licht der Scheinwerfer wechselte ständig, von rot zu grün, von grün zu blau, von blau zu silberweiß, von diesem zu einem satten Gold und von gold zu einem herrlichen Violett.
Saada blieb stehen. Von dem weiten Saal mit den vielen Menschen erkannte sie kaum etwas, nur die erste Reihe mit Amar ben Fezzan neben Hadschar. Alles andere verschwamm im Licht der Scheinwerfer, das auf sie herunterprallte wie heiße Fäuste. Sie sah alles nur durch einen Schleier, denn sie weinte, lautlos, ohne die große klagende Gebärde, sondern unmerklich im Gehen und Heben der Arme und Drehen der Hüften, die so etwas wie einen Tanz andeuten sollten. Die
Weitere Kostenlose Bücher