Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gefangene der Wüste

Der Gefangene der Wüste

Titel: Der Gefangene der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
machten aus meiner Bar Kleinholz, prügelten mich besinnungslos – zehn dieser braunen Flöhe fielen über mich her – und schleppten mich weg. Nach sieben Wochen ließen sie mich laufen, traten mich in den Hintern und warfen mich auf die Straße. Das war in Tabbera, einem elenden Bergnest im Salzgebiet von Chaanba. Doktor … ich bin drei Monate gewandert, bis ich wieder Bir Gusbah erreichte … zu Fuß durch die Wüste, wissen Sie, was das heißt? Als ich ankam, lief ich auf dem blanken Fleisch … aber ich war zu Hause!«
    Pierre Serrat wischte sich über die Augen. Er weinte nicht, aber die Augen brannten und wurden rot. Fasziniert betrachtete ihn Dr. Bender. Ein Felsen zeigt Rührung …
    »Mein Haus war abgebrannt, meine Frau und die beiden Kinder verschwunden. Niemand wußte, wo sie waren. Mitgenommen … das war alles, was sie mir sagen konnten. Mitgenommen! Bis heute habe ich nichts mehr von ihnen gehört. Das war vor elf Jahren!« Der Kopf Serrats fuhr zu Dr. Bender herum. Eine erschreckende Wildheit lag in den rotumränderten Augen. »Können Sie noch verlangen, daß ich dieses Land liebe – und verstehen Sie noch immer nicht, warum ich diesen Teufelsdreck nicht verlassen kann?!«
    »Ich kann Sie verstehen, Serrat.« Dr. Bender nickte zu dem fettigen Rauchpilz, der immer breiter und höher wurde. »Aber ob Rache die richtige Antwort ist? Ihre Frau und Ihre Kinder machen Sie damit nicht wieder lebendig.«
    »Und das da!« Serrat zeigte auf das brennende Camp XII. »Wenn es wieder losgeht? Sollen wir uns abschlachten lassen wie die Lämmer?«
    »Sie glauben doch nicht, daß der Überfall das Signal für einen neuen Aufstand ist?«
    »Nein. Dazu ist der Regierung in Algier unser Öl viel zu wertvoll. Hier sprudeln Milliarden aus der Erde. O nein … da ist wieder so ein fanatischer Scheich, der Lust hat, den großen Befreier zu spielen. Das ist nur eine kleine Gruppe … und deshalb schlage ich ihnen jetzt den Schädel ein.«
    Serrat ließ den Motor wieder an und raste den anderen Wagen nach, die wie hüpfende Käfer in der Weite der Wüste wirkten.
    Es war ein Unglück für den Kaufmann Abu ben Gossarah, daß seine kleine Karawane, bestehend aus vierzehn Last- und sechs Reitkamelen der guten Hedschasrasse, gerade zu dieser Stunde die Piste kreuzte, die zum Bohrturm ›Liberté II‹ führte. Abu ben Gossarah war auf dem Weg nach Bou Akbir, er hatte Gewürze und Töpfe geladen, Stoffe und Duftwässer, Werkzeuge und drei junge Huren vom Stamme der Ouled Nails, zierliche, wendige und in der Dirnenschule von Bou Saada im Atlasgebirge bestens ausgebildete Mädchen, auf die man in Bou Akbir mit heißem Herzen wartete. Die jetzige Besetzung des ›Tanzhauses‹ war überaltert. Es macht keine Lust, sich von welken Körpern verführen zu lassen.
    Pierre Serrat stieß ein tiefes Grunzen aus, wie ein Bär, der einen Bienenstock erschnüffelt hat. Er gab Gas, drückte die Schultern hoch und warf einen schnellen Blick auf Dr. Bender. Dieser klammerte sich im Jeep fest. Der Wagen tanzte über die Waschbrett-Piste, als sei er ein immer wieder auftupfender Gummiball.
    »Sind Sie verrückt, Serrat?« schrie Dr. Bender, als Pierre kurz vor der Karawane bremste, eine Maschinenpistole vom Hintersitz riß und mit einem mächtigen, raubtierhaften Satz in die aufquellende Staubwolke sprang. »Serrat! Halt! Machen Sie keine Dummheiten!«
    Aber es war schon zu spät.
    Noch während die dichte, aufgewirbelte Staubwolke sich träge verzog und Dr. Bender, ein Taschentuch vor den Mund gedrückt, Serrat nachrannte, hörte er das trockene, abgehackte Hämmern der Schüsse.
    »Serrat!« brüllte er noch einmal. »Sie Irrer!«
    Pierre Serrat stand seitlich der Karawane, die einmal der Stolz und der Reichtum Abu ben Gossarahs gewesen war. Nun lagen die Kamele in einem wilden Haufen über- und nebeneinander, die Beine hochgestreckt in den glutenden Himmel, andere wälzten sich noch in Todeskrämpfen und schrien mit fürchterlichen, bis ins Mark gehenden Stimmen. Und noch immer schoß Serrat … ein feuerspuckender Klotz, breitbeinig dastehend, mit verzerrtem Gesicht und glänzenden fiebrigen Augen.
    Die Berber waren von ihren Tieren gesprungen und saßen nun stumm neben den sterbenden Kamelen. Sie hatten die Dschellabahs eng um sich und über den Kopf gezogen und schienen zu beten. Wie eine Reihe weißer Steine hockten sie da, unbeweglich, durch Schlitze ihrer Gewänder auf die Leiberknäuel ihrer Tiere starrend. Nur die drei Ouled

Weitere Kostenlose Bücher