Der Gefangene der Wüste
Sperrkreises. Sie versteckte sich hinter den langgestreckten Garagenhallen. Fakir war an einem Autowrack angebunden und verhielt sich still, als wüßte er, daß Schweigen ein Schutz seiner Herrin sei.
Hinter leeren Benzinfässern kauerte sich Saada und beobachtete das Hin- und Herrennen der Männer, das Landen des Hubschraubers, die Ankunft des Lastwagens mit Cathérine und die Auseinandersetzung mit Serrat, der unbedingt in das Flammenmeer eindringen wollte, um das Bohrloch zuzusprengen.
Ihre Augen glänzten, als sie Dr. Bender entdeckte.
Der große Hakim. Die Wahrheit ihres Traumes.
Sie zog den Kopf ein und verfolgte durch die Schlitze der aufgetürmten Benzinfässer jede Bewegung Benders. Ihr Herz hämmerte wild, wenn er unbewußt zu ihr hinüberblickte, und sie dachte wieder an die wenigen Minuten bei dem sterbenden Abdallah ibn Rahman.
Die Stimme des Hakims. Seine blauen Augen. Was hatte er gesagt, als sie ihren Namen nannte. Saada Aisha Sinah.
»Drei Namen wie Musik –«
Musik – sie klang in ihrem Herzen, wenn sie an ihn dachte, wenn sie die Augen schloß und sein Lächeln, sein Mund, seine Augen den Himmel ausfüllten.
Den ganzen heißen Tag lang blieb sie hinter den Benzinfässern hocken und wartete auf die Dunkelheit. Dreimal verließ sie ihr Versteck und holte in einem Ledersack Wasser für den geduldig an dem Autowrack stehenden Fakir. Auf dem Bauche mußte sie um die Garagenecke herum in eine der Boxen kriechen, wo in einem Faß Wasser für die Motorkühlung stand. Sie tauchte den Sack hinein, ließ ihn vollaufen und kroch dann zurück hinter die Benzintonnen, tränkte Fakir und streichelte ihm die geblähten, nassen Nüstern.
»Mein Liebling«, flüsterte sie ihm in die gespitzten Ohren. »Mein Freund. Du bist das schönste Pferd der Welt –«
Fakir verstand es. Er nickte, legte den Kopf auf Saadas Schulter und blickte über sie hinweg in die flimmernde Unendlichkeit der Wüste.
Dann kam der Abend, schnell, ohne lange Übergänge, es wurde merklich kühl, nur der Sand hatte die Hitze gespeichert, aber auch sie verströmte schnell in der Kälte, die aus dem Sternenhimmel über die Sahara fiel. Das ist eine der Teufeleien der Wüste: der Temperaturunterschied von oft 40 Grad zwischen Tag und Nacht.
Saada kraulte Fakir die lange Mähne und sprach auf ihn leise ein.
»Ich lasse dich jetzt allein … hörst du, mein Liebling? Ich gehe zu ihm, zu dem großen Hakim. Mein Herz sehnt sich nach ihm, mein Blut kocht, wenn ich an ihn denke. Ganz still mußt du sein, hörst du, Fakir? Ganz leise. Nicht wiehern, nicht gegen das Auto treten, nicht dich losreißen. Fakir, warte auf mich … verstehst du mich?«
Der herrliche Schimmel blickte Saada aus seinen großen runden Augen an. Sprechende Augen, die eine deutliche Antwort gaben. Augen voll Liebe eines Tieres für seine Herrin.
Saada küßte den Hengst auf die rosa Nüstern und umarmte seinen Hals. Dann schlug sie die Dschellabah um ihren schlanken Körper, sah noch einmal empor zu den Sternen, als käme dort Kraft von Allah, dem Alleswissenden, und glitt dann durch die Dunkelheit und im tiefen Schatten der langen Garagenschuppen hinüber zur Verwaltungsbaracke.
Der Bohrturm brannte noch immer. Es wäre auch ein Wunder gewesen, wenn er von selbst ausgegangen wäre. Die Flammen schossen mit unverminderter Kraft aus dem Bohrloch und breiteten sich dann zu einem Rauchpilz aus, dessen Höhe kaum zu schätzen war. Serrat meinte, es seien mindestens fünfhundert Meter, nicht eingerechnet die Qualmfetzen, die in höheren Lagen vom Winde weggetrieben wurden.
Luigi, von seiner Kugel befreit, war mit dem Hubschrauber nach Ouargla geflogen worden. Dort gab es ein Krankenhaus, wo er sich erholen konnte. »In drei Wochen liegt er wieder bei den Huren«, sagte Serrat. »Diese kleinen Italiener sind zäh. Und Weiber sind für sie die beste Medizin – bei denen ist alles heilbar vom Unterleib aus. Ob Beinbruch oder Halsschmerzen … in der Mitte sitzt die Apotheke –«
Auch die beiden anderen Schwerverletzten – ein Franzose mit einem Beindurchschuß und ein Grieche mit dem schönen Namen Sokrates Popolapopoulos, den seine Kameraden respektlos nur den ›Arsch‹ nannten – und dem eine Kugel auch ausgerechnet in das linke Gesäß gefahren war –, wurden gleich mit ausgeflogen. Oberingenieur Brennot blieb auf Station XII, um selbst die Rettung des Bohrturmes zu leiten. Leidtragender war Alain de Navrimont, der nun nicht wieder zurück zu seinen geliebten
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