Der Gefangene der Wüste
Schnäpsen fahren konnte, sondern mit Brennot ein Zimmer teilen mußte. Es war bekannt, daß Brennot nichts mehr haßte als Betrunkene. Früher war das anders. Da soff auch Brennot wie ein Sieb, bis man ihn in eine Anstalt sperrte. In Lyon war das. Nach dreiviertel Jahren wurde Brennot als geheilt entlassen, und von diesem Tage an faßte er kein Glas mehr an, trank nur Fruchtsäfte oder Mineralwasser und trat dem Club der Anonymen Alkoholiker bei. Er hielt Vorträge über den Mißbrauch von Alkohol, wurde, weil er etwas konnte, Oberingenieur und kam so in die Wüste als Leiter der Außenstelle Ouargla. Hier traf er chaotische Zustände an.
Die Zentrale für Südalgerien war ein einziges Saufloch. Es gab kaum einen Angestellten der Ölgesellschaft, der sich nicht jeden Tag besoff und seine eigene Hure hatte. In den großen Bordellen, die in der Sahara gesellschaftsfähig sind, denn neben Sand, Sonne, Wind und Sternen sind Frauen das Wichtigste in der Wüste, gab es jeden Tag Schlägereien, flossen der Pernod und Calvados in Strömen und gab es überpotente Ölsucher, die mit drei Huren gleichzeitig Spielchen trieben, die reif für eine artistische Zirkusnummer waren.
Brennot räumte auf, so gut das möglich war. Die Beamten in der Verwaltung wurden zum Teil strafversetzt, zum Teil lernten sie, zügig zu arbeiten. Ein Problem blieben nur die Ölsucher, wenn sie ihren Monatsurlaub in Ouargla abklopften. Aus allen Teilen der Wüste fuhren sie heran, von der Sonne gegerbt, hungrig nach weichem, warmem Weiberfleisch, durstig nach Schnaps, der heiß durch die Kehle rann und sich zwischen den Beinen sammelte wie eine Sturzflut. Dann waren die Bordelle erfüllt von Grölen und Kreischen, die säulengeschmückten Innenhöfe, von denen die einzelnen Zimmer in zwei Etagen abgingen, hallten wider vom Gesang und gurrendem Lachen.
Hier war es unmöglich für Brennot, einzugreifen. Die wilden Kerle aus der Weite der Sahara, die wochenlang nur an ihren Bohrtürmen standen und selbst nach heißen Bädern noch aus der Haut nach Öl stanken, hätten ihn kurzerhand totgeschlagen. Für sie war das Tal zwischen braunen Schenkeln der Inbegriff des Wohlseins. Davon träumten sie später, wenn sie wieder in ihren Baracken lagen und nur die Fotos der nackten Mädchen an den Wänden anstarren durften. Danach fieberten sie, wenn sie die Kalender durchrechneten. Noch zwei Wochen … noch zehn Tage … noch fünf – morgen –
Fatima, hurra, ich komme! Weißt du noch, wie ich die Senke zwischen deinen Brüsten mit harten Dinaren ausfüllte, bis der Haufen Münzen gleich hoch war mit der Spitze deiner Warzen?
Oberingenieur Brennot versuchte es anders, die Männer in den Griff zu bekommen. Er ordnete an: Jeder, der bei einer Hure geschlafen hat, muß sich, bevor er wieder zum Camp fährt, untersuchen lassen. Geschlechtskrankheiten werden ab sofort als Selbstverstümmelung angesehen. Was das bedeutet, war klar: Bestrafung durch Lohnerniedrigung, kein Urlaub für 3 Monate, in schweren Fällen Entlassung und – was besonders schlimm war – Ausweisung und Abschieben ins Heimatland.
Die Kerle aus der Wüste gehorchten. Mit trotzigen Gesichtern standen sie Schlange vor dem Untersuchungsraum, wo der Obersanitäter Guy Paribou seines Amtes waltete. Er war Sanitäter bei der Fremdenlegion gewesen, beim berühmten II. Bataillon, und kannte sich aus. Die berüchtigte ›Spritze‹ wurde nicht kalt. Paribou handhabte sie ohne Zartgefühl, aber schnell und präzise. Flüche umdonnerten ihn, Verwünschungen, Androhungen, ihm die Knochen zu brechen … was half es? Jeder mußte an Paribou vorbei, erhielt seinen Schuß in die Harnröhre und kam mit staksigen Beinen wieder aus dem Zimmer.
Aber Brennot gelang es dadurch, die Erkrankungen auf ein Mindestmaß herunterzudrücken, im wahrsten Sinne des Wortes.
Alain de Navrimont haderte mit dem Schicksal, gerade mit einem solchen Apostel der Anständigkeit in einem Zimmer liegen zu müssen. Es gab keine Ausreden, sich wieder nach Station XI abzusetzen. Dort lief alles wie geölt, wie immer, denn de Navrimont hatte man noch nie als Chef in Tätigkeit gesehen.
Während sich draußen die Nacht über die Wüste senkte und von der Straßenkreuzung das Geheul der Hyänen schauerlich durch die Stille flog, denn nun waren die Geier weg, und die ›Mülleimer der Wüste‹ traten in Tätigkeit, fand im Verwaltungsraum eine kleine Konferenz statt.
Oberingenieur Brennot teilte seine Eindrücke mit.
»Meine Herren«,
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