Der Gefangene der Wüste
Geilheit wie Leo – für ihn ist Saada kein hübsches Mädchen, sondern eine Farbige, ein Objekt seiner Rache.
Drei Kilometer weiter stießen sie auf den Haufen abgenagter, gebleichter Gerippe der Kamelkarawane, die durch Serrats Raserei vernichtet worden war. Auch sie klagten an und ließen die Frage offen: Warum?
Am Nachmittag rollten sie in die Oase Bou Akbir ein. Scheich Achmed war bereits unterrichtet: Ein unbekannter Anrufer hatte ihm mitgeteilt, daß der deutsche Arzt im Laufe des Tages kommen würde, um mit ihm über Saada zu reden.
Ali ben Achmed tobte, sperrte Saada sofort wieder ein, stellte Wachen um das Haus, ließ alle Pferde aus den Ställen führen und rief den alten Priester Kebir, seinen vertrauten Berater, zu sich.
»Sei klug«, mahnte der Alte den rasenden Achmed. »Benimm dich wie ein Weiser. Hör ihn an, lächle, schüttle den Kopf und laß seine Worte abtropfen wie Wasser an einer Mauer. Nichts ist unüberwindbarer als ein gelächeltes Nein. Du wirst sehen, er geht geschlagen zurück in sein Lager.«
»Und wenn er Saada sehen will? Wenn er frech wird?«
»Dann wirf ihn hinaus! Wer die Gastfreundschaft verletzt, hat keine Ehre mehr.« Der alte Kebir gab Achmed die Hand, kassierte für diese Ratschläge einen halben Hammel und ein Säckchen Weizen zum Fladenbacken und entfernte sich mit einer Schubkarre, die er in weiser Voraussicht wegen der Geschenke gleich mitgebracht hatte.
Achmed aber zog sein bestes Gewand an … ein goldbesticktes Hemd, eine seidene Dschellabah, ein hellblaues Kopftuch, rote, mit goldenen Litzen verzierte Sandalen aus weichem Ziegenleder.
So empfing er Dr. Bender in seinem großen, prachtvollen Salon. Der Kaffee war bereits gekocht und duftete Bender entgegen. Eine silberne Schale mit Gebäck stand daneben.
»Willkommen!« sagte Achmed mit tiefer Stimme. »Ein Hakim in meinem Haus ist eine Ehre.«
Er winkte auf eines der runden ledernen Sitzkissen und goß Kaffee in die hohen Tassen.
Verwirrt setzte sich Dr. Bender.
Er wußte nicht, daß draußen vor der geschnitzten Tür zwei kräftige Männer standen und warteten. Muskelpakete, die Eisenstangen biegen konnten. Sie warteten auf einen Ruf ihres Herrn Ali ben Achmed.
Cathérine war draußen im Wagen geblieben.
»Es ist besser so«, meinte sie, als Bender sie mitnehmen wollte. »Scheich Achmed und ich stehen uns gegenüber wie Hund und Katze. Vor fast zwei Jahren habe ich ihm einen Regierungs-Veterinär auf den Hals gehetzt und seinen ganzen Viehbestand untersuchen lassen. Sechzig Prozent waren mit Tbc behaftet und wurden sofort geschlachtet. Das hat er mir nie vergessen, obgleich er jetzt einsieht, wie gut diese Aktion war. Aber er würde das nie zugeben.«
Nun wartete sie, bis Dr. Bender im Haus war, stieg dann aus und ging langsam die lange Gartenmauer entlang. Die beiden Begleiter, die Serrat mitgegeben hatte, drehten sich Zigaretten und kauften sich bei dem Limonadenhändler der Oase ein großes Glas voll des süßen, klebrigen Gebräus.
Cathérine hatte die Rückseite des Gartens erreicht und fand hier eine kleine Pforte, die knarrend nachgab, als sie gegen die Tür drückte. Sie schlüpfte in den Garten und versteckte sich hinter hohen Malvenbüschen, die sich entlang der Mauer zogen. Vor ihr breitete sich die saftige grüne Wiese aus, auf der sich wieder in grandioser Verschwendung die Rasensprenger drehten. Am Ende des parkartigen Gartens sah sie die säulenverzierte Balkon- und Fensterwand des Hauses, ein Filigrangebilde orientalischer Schönheit. Vor dem Haus gingen drei weißgekleidete Diener hin und her. Sie trugen Gewehre auf dem Rücken und lange Dolche in den breiten Gürteln.
Vorsichtig, unter Ausnutzung aller Deckungen wie Büsche, Baumstämme und Blumenbeete, schlich Cathérine näher, bis sie wenige Meter vor dem Haus stand, geschützt durch eine Rosenhecke. Die Wachen standen zusammen und unterhielten sich.
Oben aber, wieder auf der Brüstung sitzend, die langen schwarzen Haare wie ein Schleier über dem Oberkörper, hockte Saada und blickte traurig über Garten und Mauer hinüber in die flimmernde Wüste.
Eine Zeitlang betrachtete Cathérine das Mädchen und tastete es mit Blicken ab. Nur eine Rivalin hat diesen scharfen Blick, dem nichts entgeht und der grausamer ist als das unbestechliche Fotoauge.
Sie ist jünger, dachte Cathérine.
Sie ist weicher in den Formen.
Ihre Brüste sind größer und runder.
Ihre Schultern fallen ab.
Ihr Haar ist unbeschreiblich schön. Aber es ist
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