Der Gefangene der Wüste
bekomme!«
»Völlig unmöglich. Alle Bohrstellen sind mit uns einer Meinung.«
»Man erwartet in der Zentrale meine Berichte. Man wird anfragen. Brennot wird wissen wollen, was los ist.«
»Alle Anrufe landen jetzt bei mir. Mir fällt schon etwas ein, die Knaben in der Zentrale zu beruhigen. Ich werde sagen, Sie seien auf einer Expedition weiter in den Süden, um die verdammte Krankheit zu suchen. Gut, was?« Serrats Bullengesicht glänzte. »Ist das eine Idee?«
Dr. Bender ließ den Riesen stehen und lief zurück in die Sanitätsstation. Dort waren vier Arbeiter gerade dabei, den ausgenommenen Abdallah in einer Holzkiste wegzutragen. Bender hatte nichts dagegen – die Präparate waren in Sicherheit. Cathérine saß in ihrem Zimmer und hatte sich die Haare gewaschen. Erstaunt betrachtete Bender ihren Kopf. Er war voller kleiner Locken, gekräuselt wie ein Persianerfell.
»Entzückend –«, sagte er.
Cathérine schob mit einer trotzigen Bewegung das Handtuch über ihren Kopf.
»Was haben Sie erreicht?« fragte sie.
»Klarheit. Man will mich völlig isolieren. Ich habe nie etwas Dümmeres erlebt. Sie können mich tage- oder wochenlang abschirmen … aber dann platzt die Bombe um so gewaltiger.«
»Das glaube ich nicht.« Cathérine massierte ihre nassen Haare mit dem Handtuch. »Wenn Sie zu lästig werden, verschwinden Sie ganz … für immer …«
»Sie meinen, man wird mich umbringen?«
»Ja. Warum wollen Sie das bloß nicht begreifen?«
»Weil es zu absurd ist. Ich bin Arzt, ich bin in die Wüste gekommen, um allen zu helfen.« Dr. Bender setzte sich neben Cathérine. Seine körperliche Nähe war ihr wie ein Backofen, dessen Tür plötzlich aufgestoßen wird. Sie hatte große Lust, alle Kleider vom Leib zu reißen und sich in diesem heißen Odem zu wälzen. »Man bringt seinen Retter nicht um.«
»In der Wüste ist alles möglich. Man küßt Ihnen zum Dank beide Wangen und ersticht Sie dann von hinten während der Umarmung.« Sie erhob sich, ging zum Spiegel und wickelte das Handtuch wie einen Turban um den Kopf. Sie trug nur ein dünnes Baumwollkleid, das eng um ihren schlanken Körper lag. Darunter trug sie nichts, war sie nackt … Bender sah es an den zu deutlichen Konturen. »Wie soll es weitergehen?«
»Wir fahren morgen früh zu Station XII und besuchen die Verletzten. Dann fahren wir weiter nach Bou Akbir.«
Cathérine hob die Schultern, als habe sie jemand von hinten geboxt. Im Spiegel sah sie ihr Gesicht … große, weite Augen, ein leicht verzerrtes Gesicht, ein verkrampfter Mund, fast lippenlos. Ein in dieser Verwandlung häßliches Gesicht, ein Medusenkopf, eine Zerrmaske.
»Warum?« fragte sie mühsam.
Dr. Bender sah keinen Grund zur Lüge. Er war ahnungslos über das, was in Cathérine vorging. Sie war eine Frau für ihn, die er achtete und die in vielem ein Rätsel blieb … Saada liebte er mit der ganzen Sehnsucht eines Mannes, der die Liebe einer Göttin genossen hatte und seither dem Alltäglichen entrückt war.
»Ich will mit Scheich Achmed sprechen.«
»Wegen des toten Abdallah?«
»Auch. Vor allem aber wegen Saada –«
Cathérine senkte den Kopf. Das Spiegelbild ihres Gesichtes war selbst für sie nicht mehr ertragbar. Es zuckte wie unter peitschenden Schlägen.
Serrat muß es übernehmen, dachte sie. Serrat mit seinem Haß auf alle Eingeborenen. Er hat die wenigsten Skrupel, und bei ihm brauche ich nicht mit meinem Körper zu bezahlen wie bei den anderen. Er wird es aus Rache für seine verschwundene Familie tun. Er kann töten ohne Schuldgefühl. Für ihn ist es nur die Begleichung einer offenstehenden Rechnung.
Die Wüste ist ein Land ohne Luft, solange es Saada gibt.
Ich ersticke –
Sie riß sich das Handtuch vom Kopf und drückte es gegen ihr Gesicht.
Wenn er jetzt käme … wenn er jetzt seine Hände ausstreckt … mir das Kleid herunterstreift … mich zum Bett trägt … er sieht doch, daß ich nackt bin, daß nur ein bißchen Stoff uns trennt … wenn er jetzt ein Mann wird … Saada könnte weiterleben.
Aber Dr. Bender blieb sitzen, schlug die Beine übereinander, steckte sich eine Zigarette an und sagte ahnungslos:
»Ihre Locken, Cathérine, sind allerliebst. Sie sollten die Haare immer so tragen –«
Ohne es zu wissen, sprach er damit das Urteil über Saada.
Die Inspektionsreise zur Bohrstelle XII störte Serrat nicht im geringsten. Auch die Weiterfahrt nach Bou Akbir war kein Problem. In der Oase gab es vier Telefone. Eins besaß Scheich Ali ben
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