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Der Gefangene der Wüste

Der Gefangene der Wüste

Titel: Der Gefangene der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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winzige Schlitze, durch die zwar das Licht eindrang, aber kein menschliches Auge hinausblicken konnte.
    Das ist ja alles Irrsinn, dachte Dr. Bender und setzte sich auf das Bett. Was will Serrat eigentlich? Er setzt mich gefangen und weiß doch genau, daß das kein Dauerzustand ist. Es sei denn, er läßt mich eines Tages ganz verschwinden, und Bender machte sich keine Illusionen über diesen Augenblick. Verschwinden hieß Tod. Tod und Verscharren irgendwo im Wüstensand.
    Warum aber? Nur wegen der Hadjar-Krankheit? Warum wehrte sich Serrat dagegen? Ging es wirklich nur um Geld? Um diesen dreckigen Lohn, erarbeitet im Öldunst bei 60 Grad Hitze? Und warum versteckte er ihn hier in diesem muffigen Raum, anstatt ihn sofort umzubringen, alle Spuren zu verwischen, ihn wirklich als in der Wüste verschollen zu lassen?
    Das waren Fragen, auf die bald eine Antwort folgte. Sie kam von Cathérine. Da Dr. Bender keinen Zeitbegriff mehr hatte, wußte er nicht, wann sich die Tür öffnete. Er lag gerade auf dem Bett und hatte ein wenig im Halbschlaf geträumt, als draußen das dicke Vorhängeschloß klapperte. Mit einem Satz sprang er auf, ergriff den Stuhl und stellte sich in Abwehr. In seiner Lage war selbst ein Stuhl mit vier Beinen eine Waffe. Er erinnerte sich an ein Buch von einem Raubtierdompteur, der behauptete, die beste Abwehr gegen ein Tier bei der Dressur sei ein umgedrehter Stuhl.
    »Cathérine –«, sagte er gedehnt, als er die schlanken Konturen des Mädchens sah. Er mußte die Augen zusammenkneifen, denn das plötzliche grelle Sonnenlicht blendete ihn, warf ihn fast zurück wie eine Faust aus Licht. Mein Gott, durchzuckte es ihn. Wie hell ist es draußen. Was muß ein Auge aushalten können! »Was wollen Sie denn hier, Cathérine? Sie dürfen frei herumlaufen?«
    »Eine Fachkraft braucht man auf der Sanitätsstation«, sagte sie und warf die Tür zu. Das Halbdunkel, jetzt sogar wohltuend, hüllte sie ein. Von draußen ertönte Schlüsselklappern. »Hören Sie, ich bin nicht allein. Molnar, dieser ungarische Bandit, läuft mir nach wie ein Schatten. Ich bin gefangen wie Sie, nur muß ich dabei arbeiten.«
    Das war eine Lüge, aber wie konnte Bender das ahnen?
    Er glaubte es ihr und nahm ihr die Schüssel, die sie hereingebracht hatte, aus den Händen. Ein Brot lag darin, eine gekühlte Dose mit Ziegenbutter, ein kleiner Block Hartkäse und ein Stück Salamiwurst. Ein feudales Essen für einen Gefangenen der Wüste.
    »Wie spät ist es draußen?« fragte Dr. Bender und deckte den ›Tisch‹. Zwei Teller, zwei Blechbecher und ein Messer aus Plastik, mit dem man sich unmöglich selbst töten noch wehren konnte, lagen ebenfalls in der großen Schüssel.
    »Acht Uhr, Doktor.«
    »Und noch so heiß?«
    »Acht Uhr morgens –«
    »Unmöglich!« Dr. Bender legte alles mit einem Ruck hin, als sei es ihm aus den Händen geglitten. »Dann habe ich ja geschlafen –«
    »Allerdings. Molnar war gestern abend schon einmal bei Ihnen und wechselte das Wasser. Da schliefen Sie wie ein Bär. Serrat sagte noch: ›Dessen Nerven möchte ich haben. Pennt wie ein Säugling und hat die Pistole im Genick.‹ Sie haben wirklich gute Nerven, Doktor.«
    »Soll ich schreien? Soll ich um Gnade winseln? Soll ich zusammenbrechen? Das wäre doch idiotisch. Idiotischer als diese Tat von Serrat. Ich habe Zeit genug gehabt, über alles nachzudenken. Irgendwie ist das, was hier mit mir geschieht, unlogisch, schizophren. Man läßt mich vor der Welt verschwinden, aber ich lebe weiter, weil man mich brauchen kann. Die Angst vor dem eigenen Körper ist größer. Ein Doktor im Camp … das ist eine halbe Lebensversicherung. Darum muß ich weiterleben, aber doch ein Toter sein.«
    »Genau so ist es.« Cathérine setzte sich auf die Erde vor die Kiste und breitete das Essen aus. »Darum darf ich auch weiter im Krankenrevier arbeiten, mit Molnar, diesem Gauner, im Rücken. Wir hatten gestern, noch spät am Abend, zwei Unfälle. Handquetschungen. Eine Pumpe rutschte ab während der Montage. Ich habe es allein geschafft … Serrat war schon bereit, Sie wieder ans Licht zu holen.«
    »Cathérine.« Bender trat hinter sie und legte beide Hände auf ihre Schulter. Diese Berührung durchrann sie wie Feuer. Vor Erregung schloß sie die Augen und saß steif auf der Erde, als sei sie zu Stein erstarrt. »Was wird hier gespielt? In welches Wespennest habe ich 'reingestochen?«
    Cathérine dachte an den toten Bob Miller unter den Benzintonnen, den ersten Toten der

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