Der Gefangene der Wüste
die Serrat am liebsten mit einer Axt abgeschlagen hätte. »Ich kaufe Ihnen den Doktor ab. Ein reelles Geschäft: Doktor gegen die Garantie der Unverletzlichkeit Ihrer Öltürme. Keiner kann Ihnen mehr bieten.«
»Keiner hat auch ein Interesse an diesem Geschäft. Abgemacht. Sie bekommen den Doktor.«
Serrat zögerte noch einen Moment. Er wußte, was mit Dr. Bender geschah, wenn er erst in den Händen Achmeds war. Das Verschwinden Saadas würde man ihm anrechnen, und da half kein Beteuern, kein Flehen, kein Beweis der Unschuld. Das schreckliche Ende Domaschewskis lag allen noch auf der Seele. Serrat zog die breiten Schultern hoch. Plötzlich fror er.
Langsam ging er über den weiten Platz zum Geräteschuppen, und die elf Reiter folgten ihm auf den Kamelen. Sie bildeten einen Halbkreis vor der Tür, und als Serrat aufschloß, zuckte es über das Gesicht Achmeds.
Blinzelnd, von der Sonne geblendet, kam Dr. Bender aus dem dunklen Raum. Dann stand er zwischen den Kamelen, allein, denn Serrat hatte sich schnell und wortlos entfernt. Wie eine Flucht sah es aus … und so war es auch. Das Grauen saß ihm im Nacken.
»Doktor –«, sagte Achmed laut. »Wo ist Saada?«
»Ich weiß es nicht.« Dr. Bender blickte sich um. In seiner Ahnungslosigkeit erkannte er nicht, daß sein Leben weniger wert war als ein Sandkorn.
»Dann suchen wir sie …«, sagte Achmed dunkel. Er winkte, ein paar Hände ergriffen Bender, hoben ihn hoch vom Boden zwischen die Kamele, zogen ihn auf den Hals eines Tieres, und da erst erkannte Bender, was mit ihm geschah.
»Achmed!« schrie er. »Das ist ein Irrtum! Hören Sie mich an! Ich habe Saada nicht wiedergesehen! Ich schwöre Ihnen.«
Achmed nickte kurz. Eine Faust sauste auf den Schädel Benders, der Satz brach ab, sein Kopf sank nach vorn, kräftige Hände hielten ihn fest … und dann brauste die Kamelkavalkade hinaus in die Wüste. Eine träge Staubwolke blieb zurück, die sich wie Dunst über die Baracken senkte.
Serrat blickte dem Trupp nach und preßte die Fäuste gegen die Brust. Es ist nicht ganz so einfach, Gehilfe eines Mordes zu sein, vor allem, wenn man es zum erstenmal tut.
Er ging zum Schrank, nahm eine Flasche Kognak heraus und trank ein paar kräftige Züge. In diesem Augenblick konnte er sogar de Navrimont verstehen, der die Welt nur noch im Nebel des Alkohols ertragen konnte.
»Eine traurige Nacht, Wüstenkatze«, sagte Serrat wenig später zu Saada. Sie hockte brav hinter dem Tisch auf dem Stuhl und wartete. Diese Geduld möchte ich haben, dachte Serrat. Diese Menschen können ihre Nerven dirigieren wie ein Orchester. »Der Doktor ist weg.«
In Saada kam Leben. Sie sprang auf und warf den Tisch dabei um. »Nein!« rief sie.
»Doch! Warum sollte ich lügen? Eben kommt ein Anruf aus Camp XII. Da ist ein Hubschrauber aus Ouargla gelandet, und der Doktor ist gleich mitgeflogen. Hier hatte er ja doch nichts mehr 'rumstehen. Cathérine ist noch im Lager XII und heult wie ein Schakal.« Serrat hob die Schultern. »Ich kann's nicht ändern … der Doktor ist weg. Vielleicht sehe ich ihn in Algier und erzählte ihm alles, was hier gewesen ist.«
»Sie gehen nach Algier?« In Saadas Augen glomm eine verzweifelte Hoffnung auf. Sie hob den Tisch auf und zitterte dabei vor Erregung.
»Ja. Morgen. Für zehn Tage.«
»Und der Doktor ist in Algier?«
»Ganz sicher. Er muß doch erst seine Entlassungspapiere fertig haben, ehe er nach Deutschland fliegt.«
»Dann könnte man ihn in Algier treffen?«
»Ganz sicher.«
»Nehmen Sie mich mit?« Saada kam um den Tisch herum. Sie hatte die Hände flach wie Schalen umgedreht und hielt sie Serrat entgegen. »Bitte, nehmen Sie mich mit, monsieur. Verhandeln Sie mit den Fliegern, bestechen Sie sie, helfen Sie mir … bitte, bitte … Ich muß den Doktor sehen, ich will mit ihm nach Deutschland … bitte, bitte … Ich werde Allahs größten Segen auf Sie herunterflehen –«
Serrat verzog das Gesicht und wandte sich ab. Verdammt, dachte er. Sie macht mich weich, obgleich sie genau so reagiert, wie ich es geplant habe.
»Ich will's versuchen«, sagte er. Seine Stimme klang rauh. »Versprechen kann ich nichts. Morgen früh um sieben kommt der Hubschrauber. Wir müssen hoffen, kleine Katze –«
»Ich werde zu Allah beten, monsieur.«
»Komm mit.«
Serrat führte Saada in sein Zimmer und wischte sich dann über das Gesicht. Die Gläubigkeit des Mädchens, seine Vertrauensseligkeit waren mehr, als er im Augenblick vertragen konnte.
Wenn
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