Der Gefangene der Wüste
und ab, die Männer der Spätschicht rannten aus den Baracken, von den Öltürmen rasten einige Jeeps heran. Sogar der betrunkene de Navrimont kroch zum Fenster und streckte den Kopf in die heiße Luft. »Schon wieder Feuer?« lallte er. »Gott verdamme dieses Land. Gott verdamme es!« Dann torkelte er zum Bett zurück und blieb dort bewegungslos liegen.
Scheich Ali ben Achmed kniff die Augen zusammen, als er in das Camp XI einritt und eine Wand bewaffneter Männer vorfand. Auf den Dächern der Baracken lagen sie, die Gewehre im Anschlag. Es gab keine Chancen für ihn … von allen Seiten würden die Kugeln in seine kleine Schar einschlagen.
Serrat empfing Achmed in der Mitte des großen Platzes. Zur Unterstreichung seiner Worte trug er eine Maschinenpistole in den Händen.
»Welch ein Besuch, Scheich Achmed«, sagte er voller Hohn. »Was führt Sie zu uns? Ich nehme an, es handelt sich um etwas Geschäftliches. Wollen Sie uns neues Schnittholz anbieten?«
Ali ben Achmed blieb auf seinem weißen Hedschaskamel sitzen und blickte Serrat haßerfüllt an. Die Blicke seiner zehn Begleiter wanderten über das Camp und suchten das Fahrrad. Es lag längst im Schuppen hinter anderem Gerümpel.
»Saada ist nicht hier?« fragte Achmed mit verkrampfter Höflichkeit.
»Warum sollte sie?« Serrat grinste breit. »Ist sie ausgerissen? Jaja, Vatersorgen! Ich bin sie los, Achmed … meine Familie wurde umgebracht –«
Der Scheich überhörte den Angriff. Er starrte hinüber zur Sanitätsbaracke, über deren Dach die Fahne des Roten Kreuzes im Wüstenwind knatterte.
»Ist der Doktor da?«
»Nein. Er ist nach Hassi-Messaoud …«
In diesem Augenblick begann am Geräteschuppen wieder die Kreissäge zu heulen und zu kreischen. Cathérine trommelte innen an die Wand und schrie: »Aufmachen! Aufmachen!«
»Ich danke Ihnen«, sagte Achmed höflich und legte sogar die Hand flach an die Stirn. »Entschuldigen Sie die Störung.« Er hob den Arm, die Kamele wendeten und preschten wieder hinaus in die Wüste, Richtung Hassi-Messaoud.
»Die kommen wieder«, sagte Serrat, als die Reiter hinter den Sanddünen verschwunden waren. »Seit zwei Tagen ist kein Wagen mehr nach Hassi gefahren. Und die Brüder können Spuren lesen. Ein paar Stunden können wir sie täuschen, dann muß gehandelt werden –«
Gegen Abend kam Scheich Achmed zurück, wie Serrat es vorausgesehen hatte. Er kam diesmal in eine völlig veränderte Situation.
Cathérine war nach Camp XII gefahren worden. Der italienische Sanitäter und Blutrachemörder Rugieri Pella hatte angerufen. Einer der Verletzten fieberte plötzlich, und die Wunde entzündete sich trotz Penicillin.
Serrat holte Cathérine aus dem Gefängnis und winkte Dr. Bender wie einem alten Kameraden zu, ehe er wieder abschloß.
»Los, Mädchen, zu XII!« sagte er. »Du wirst gebraucht. Etwas mußt du auch tun für uns … nur fürs Beischlafen kriegst du kein Geld.«
»Sau!« sagte Cathérine in ihrer groben Art, und Serrat lachte dröhnend. Als der Jeep über die Wüstenpiste davonjagte, sah ihr Serrat zufrieden nach. Der Anruf von Pella konnte gar nicht günstiger kommen. Das Schicksal spielte sogar mit. Nun war Dr. Bender allein. Keine unüberwindliche Cathérine hielt ihn mehr fest.
Saada war wieder in Benders Zimmer geflüchtet, als Achmed erneut ins Lager ritt. Diesmal war kein Feuerschutz für Serrat vorhanden – er brauchte ihn auch nicht mehr. Waffenlos kam er Achmed entgegen. Ali ben Achmed traute dem Frieden nicht, er war sehr vorsichtig. Seine Männer bildeten einen Schutzring um ihn.
»Der Doktor ist nicht nach Hassi gefahren«, sagte er dunkel. »Die Spuren der Reifen sind alt und verwehen später.« Er beugte sich zu Serrat hinunter, und die Glut seiner schwarzen Augen war wie die von Saadas Blick. »Monsieur Serrat … ich bin ein Ehrenmann. Ich kenne keine Hinterlist. Sie führen mich jetzt zu dem Doktor … oder alle Türme im Umkreis von 160 Kilometern werden brennen! Sie wissen, daß Sie mir nie etwas nachweisen können. Der Schaden aber wird in die Millionen gehen. Ist Ihnen der Doktor so viel wert?«
Serrat spürte, wie sein Herz hämmernd schlug. »Ist das ein Ultimatum?«
»Ja, das ist ein Ultimatum.«
»Gut. Er ist hier. Wir haben Streit gehabt miteinander. Ich – Scheich Achmed, wir sind unter uns – ich wollte ihn schon in die Wüste jagen.«
»Machen wir ein Geschäft.« Das Gesicht Achmeds glänzte plötzlich. Er streckte Serrat seine braune Hand hin, eine Hand,
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