Der Gefangene der Wüste
seine Dschellabah in einen breiten Ledergürtel.
»Wer weiß das nicht, Liebling des Propheten?!« Serrat grinste. »Und wenn du glaubst, ich sei ein Spitzel, dann hast du den Geist eines stinkenden Kamelschwanzes! Sieh in meinen Wagen und urteile selbst.«
Amar betrachtete Serrat mißtrauisch, hob dann die Schultern, als wolle er sagen: Na, ansehen kostet ja nichts, ging zu dem Renault und beugte sich über Serrat. Als er zur Tür zurückkam, war sein Blick wohlwollender und glänzender.
»Na also«, sagte Serrat wieder auf französisch. »Das fährt einem Mann ins Herz und woanders hin, was? Ist das ein Blümchen?!«
Von jetzt ab verstand Amar auch wieder Französisch und wiegte den Kopf.
»Ich handle mit Gewürzen«, sagte er wieder. »Es tut mir leid, monsieur.«
»Der Satan reißt dir den Arsch auf«, sagte Serrat leise und trat nahe an Amar heran. »Gut, du handelst mit Muskatnüssen und Pfeffer, das ist dein Privatvergnügen. Woher du dann diesen Palast hier hast, weiß wirklich nur Allah. Mir geht's darum, die Wüstenblume zu verkaufen. Nenn mir einen Namen, und ich bin sofort weg –«
»Ich bin auch Makler«, sagte Amar ben Habadra. Er schielte lauernd an Serrat, diesem Riesen, empor. »Grundstücksmakler, monsieur.«
»Aha! Wir kommen uns näher. Mein lieber Amar … ich habe dir ein herrliches Grundstück anzubieten. Hügelig, mit den besten Aussichten, gepflegt, doch nicht beackert – ein Stückchen zum Träumen, ein Landsitz für Liebhaber. Haben Sie einen Interessenten?«
»Lassen Sie mich denken, monsieur.« Amar legte die Stirn in Falten. Nebenan begann der Bäcker zu singen. Wenn man allein vor einem heißen, duftenden Ofen steht, ist Gesang das einzig Richtige. »Was soll das Grundstück kosten?«
»Zehntausend«, sagte Serrat trocken. Amar riß die schwarzen Augen auf.
»Das ist Wahnsinn, monsieur.«
»Ein Grundstück solcher Schönheit, Amar? Ungepflügt? Mit Hügeln und Tälern wie im Paradies?«
»Sechstausend ist das höchste, monsieur.«
»Verrückt. Dann bewohne ich es lieber allein.« Serrat grinste hämisch. »Sechstausend bekomme ich auch für bebaute Grundstücke.«
»Ich mache die Preise nicht … ich verkaufe Gewürze«, sagte Amar abweisend. »Aber ich will mit einem Freund sprechen … warten Sie, monsieur.«
Er schlug die Tür zu, kam aber nach fünf Minuten wieder. Telefon hatte er also auch in seinem fensterlosen Steinblock.
»Na?« fragte Serrat.
»Fahren Sie nach el Matmahira.«
»Wo ist denn das?«
»Auf der Straße zur Grenze biegen Sie nach Südosten ab. Es ist eine kleine Felsenstraße, die in ein Gebiet führt, wo es nichts gibt.«
»Solche Gegenden kenne ich gut«, meinte Serrat sarkastisch.
»Nach vier Kilometern öffnet sich ein Tal … das ist el Matmahira. Dort hat mein Freund Jussuf ben Rahman Zelte aufgeschlagen.«
»Toll.« Serrat sah Amar nachdenklich an. Er hält mich für blöd, dachte er. Man sollte ihn an die Wand werfen. »Und mit einem Zelt telefonieren Sie, was?«
»Ich habe Funk«, sagte Amar stolz. »Alles klar?«
Serrat nickte. Per Funk machten sie es. Ganz modern. Sklavenhandel mit Hilfe der Technik. Das Dröhnen der Baumtrommeln hört man nur noch in dämlichen Filmen. Heute geht es zirp-zirp durch die Luft. Die Wüste ist moderner als mancher ›königliche Kaufmann‹ im alten Europa.
»Alles klar, Amar«, sagte er laut. »Ich fahre in dieses Drecksgebirge. Aber wenn dein Freund Jussuf nicht dort ist, komme ich zurück und pulverisiere dein Haus. Allah sei mit dir.«
»Und mit dir, mein Freund.« Amar warf die Tür zu und wischte sich über die Augen. Es ist ein beglückendes Gefühl, bereits morgens um vier Uhr durch ein paar Morsezeichen 1.000 Francs Vermittlungsgebühr verdient zu haben.
Saada schlief noch immer fest, als Serrat das Felsental von el Matmahira erreichte. Tatsächlich war dort eine Zeltstadt aufgebaut, ein friedlicher Anblick wie auf einem Campingplatz. Vier lange, aber uralte Omnibusse standen unter schützenden Planen.
Ein ›Pilgerzug‹.
Was allein störte, waren die Wachen, die Serrat am Eingang des Tales empfingen. Sie sprangen plötzlich hinter Felsblöcken hervor und hatten den kleinen Renault in Sekundenschnelle eingekreist. Serrat hielt an … hier war Nachgeben soviel wie Überleben.
»Jussuf erwartet mich«, sagte er zu dem ersten Araber, der an den Wagen herantrat, ein böse blickender, pockennarbiger Mann. »Ich bringe Ware.« Er ließ den Mann einen Blick auf Saada werfen und durfte
Weitere Kostenlose Bücher