Der Gefangene der Wüste
Kamele und bahnte sich einen Weg. Das heisere Schimpfen der Araber übertönte er mit dem Brüllen schrecklichster Schimpfwörter.
Saada wachte davon nicht auf. Sie schlief wie ein Kind, im Traum lächelnd, sich ganz in den Schutz des starken Serrat gebend. Ihr Vertrauen war grenzenlos, man sah es an ihren ruhigen Atemzügen.
Serrat fuhr, als jage man ihn quer durch die Wüste. Der Staub der breiten Straße nach El-Oued puderte in Kürze den Wagen völlig ein, er verlor alle Farbe und wurde gelbweiß wie ein riesiger Saharafloh. Nach drei Stunden, kurz vor der Wüstenstadt Touggourt, bremste er wieder und stieg aus. Am Straßenrand lag ein Lastwagen des algerischen Militärs. Vier Soldaten bemühten sich, einen Reifen zu wechseln, aber der Wagenheber war defekt. Nun standen sie ratlos herum und rauchten Zigaretten.
Serrat trat zu ihnen und trat gegen den platten Reifen.
»Nicht gelernt, wie man ein Rad wechselt, was?« sagte er spöttisch. »Zuerst muß man ihn hochdrehen, Junge.«
Ein Sergeant trat aus der Gruppe, ein bärtiger Mann mit vielen Narben im Gesicht.
»Sie kluges Kind«, sagte er rauh. »Machen Sie mal was, wenn der Heber immer abrutscht. Nach zwanzig Zentimetern macht er rrrtsch, und weg ist er. Da müssen drinnen ein paar Zähne abgebrochen sein.«
Man hat noch nie behauptet, daß Serrat bei allen seinen Schwächen und Gemeinheiten nicht ein Herz für leidende Männer gehabt habe, vor allem, wenn ihnen zustößt, was ihm selbst einmal passieren konnte. Er lief also zu seinem Wagen zurück, sah, daß Saada noch schlief, und hoffte, daß im Werkzeugkasten wenigstens Werkzeug war. Es gibt da die tollsten Dinge bei Autobesitzern. Einmal – Serrat hatte es selbst erlebt – lagen im Werkzeugkasten Thermosflaschen mit gekühltem Whisky.
Der alte Renault hatte wirklich einen Wagenheber in sich. Serrat betrachtete das zierliche Ding kritisch, ging zu dem Lastwagen zurück und grinste verlegen. »Ob's geht, wer weiß das?« fragte er und klemmte den Tragbolzen in das Hebeloch. »Wer solch kleine Dinger herstellt, sollte mit seinem eigenen Hintern hochgekurbelt werden. Los, versuchen wir es.«
Erstaunlicherweise gelang es. Die Soldaten konnten den Reifen wechseln, gaben Serrat Zigaretten, bedankten sich überschwenglich und nannten ihn Kamerad. Dann fuhren sie lachend ab und winkten Serrat zu.
Wenn ihr wüßtet, wohin ich fahre, dachte er. Langsam ging er zu seinem Wagen zurück, verstaute den Heber wieder im Kofferraum und rauchte draußen, an den Kühler gelehnt, eine der schwarzen, algerischen Zigaretten, die nur Männer vertragen, deren Lunge mit Blech beschlagen ist.
Sie haben Patrouille gefahren, dachte er. Der Sergeant hat's erzählt. Sie suchen Sklavenhändler. In El-Oued haben sie Haussuchungen gemacht, eine ganze Kompanie Soldaten. Ergebnis: Nichts. »Die sind schlauer als Mohammed vor Dschidda«, hatte der Sergeant gesagt. »Man kann es ihnen ansehen, daß sie ein schlechtes Gewissen haben, man riecht förmlich die Gauner an ihnen … aber beweisen Sie es mal! Sie rufen Allah zum Zeugen ihrer Unschuld … es ist ein Wunder, daß Allah nicht Feuer vom Himmel regnen läßt.«
Ich werde sie finden, dachte Serrat. Ich habe eine Nase dafür, und außerdem klebe ich den nächsten dieser Händler an die Wand, wenn er mich belügt. Das hilft immer. Die eigenen Knochen sind ihr wertvollster Besitz, bei allem Reichtum, den sie sich zusammengegaunert haben.
Er blickte auf seine dicke Armbanduhr. Auch sie war ein Teil von Serrat. Sie hatte den Wüstenkrieg mitgemacht, vorher die Ausbildung bei der Legion in Sidi-bel-Abbès, später den wahnsinnigen Treck durch die unerforschte Wüste, durch den höllischen Erg Tifernine, bis man das verfluchte Öl entdeckte, diese Sandflecken, unter denen Millionen lagerten. Millionen aus schwarzer, stinkender Brühe.
Noch durch Touggourt, dann 1 ½ Stunden bis El-Oued. Und Barzahlung, Jungs, 10.000 auf die Hand. In schönen Scheinchen. Ich will sie zwischen den Fingern knistern hören.
Er stieg nach der Zigarette wieder in den Renault, schob den Kopf Saadas wieder gegen seine Schulter, betrachtete ihren im Schlaf erschlafften Körper, die langen, schlanken Beine, die vollen Brüste, das Madonnengesicht mit den tiefschwarzen, langen Haaren, und er rieb sich die Nase, dachte an seine Frau und die Kinder, die aufständische Berber irgendwo verschleppt und abgeschlachtet hatten, und alles Mitleid verflog sofort.
»Das ganze Leben ist ein Hölle!« murmelte er, ließ
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