Der Gefangene der Wüste
den Boden, spannten einige Sonnendächer darüber und ließen sich dann nieder. Zwei Diener, die mitgekommen waren, servierten kurz darauf heißen, dampfenden Kaffee in kleinen Porzellantassen und verteilten Schalen mit kandierten Früchten.
Es war ein friedliches Bild … und doch rasteten hier vierzehn Teufel.
Unterdessen rumpelten die Omnibusse hinter Jussuf her durch den Salzsumpf. Die Wagen hatten sich mit Salzkristallen überzogen und funkelten in der Sonne, als seien sie mit Diamantenstaub belegt. Jussuf hatte die Klimaanlage seines Cadillac eingeschaltet und bot Saada aus einer Thermosflasche köstliche, kalte Orangenlimonade an.
»Ich will nicht«, sagte Saada mit geballten Fäusten. »Ich will, daß du mich in den Sumpf wirfst.«
»Es gibt einen schöneren Tod.« Jussuf wandte den Kopf zu Saada. Ihre wilde verzweifelte Schönheit begeisterte ihn. Eine Zeitlang hatte er den Gedanken gehabt, sie selbst zu behalten und mitzunehmen nach Constantine in sein herrliches Haus inmitten des großen Parks. Es gab dort ein Frauenhaus im alten Stil, mit verschwiegenen Gärtchen und plätschernden Brunnen, Bogengängen aus zierlichen Marmorsäulen und Zimmer voller Luxus und köstlicher Kühle. Aber dann verwarf er diesen Plan wieder. Saada war ein großes Kapital, und sie war zu schön für sein eigenes Frauenhaus. Es würde Streit geben, Haß und Auflehnung der anderen Frauen. Nicht, daß Jussuf nicht genug Mittel besaß, jeglichen Aufstand seiner Weiber niederzuknüppeln, – aber er liebte Ruhe im eigenen Haus. Er besaß fünf wunderschöne, junge Frauen, und sie reichten ihm. Saada als sechste dazuzunehmen wäre ein Luxus gewesen, den sich Jussuf zwar leisten konnte, der aber nicht unbedingt notwendig war. Und so wurde Saada während der Fahrt durch die Salzwüste in Jussufs Gedanken bereits verkauft … an den Barbesitzer Ali Hadschar, einen glatzköpfigen, dicken Mann, der einen ungeheuren Verbrauch an Tänzerinnen für seinen ›Tanzpalast‹ in Annaba, dem früheren Bône, hatte. Wo er die Mädchen alle ließ, warum er immer wechselte, das weiß niemand, und Jussuf fragte auch nicht danach. Es ging ihn nichts an. Wichtig war nur, daß Hadschar zahlte, ohne langes Handeln und in bar. Was dann mit den Mädchen geschah … das Auge Allahs allein sah es, und es war auch seine Sache, nicht die Jussufs.
Dreimal versuchte Saada, aus dem Wagen Jussufs zu fliehen und sich in den Sumpf zu stürzen. Ihre Verzweiflung war so groß, daß sie Jussuf geradezu zwang, brutal gegen sie zu werden und sie beim letzten Versuch – sie riß plötzlich die Tür auf und wollte aus dem Auto springen – an den Händen und Füßen wieder zu fesseln. Dann schlug er sie, nicht mit der Peitsche, sondern mit der flachen Hand, ins Gesicht. Ihr schöner Kopf flog hin und her, und jeden Schlag begleitete sie mit einem nicht schmerzhaften, sondern wilden, herausfordernden Aufschrei, der Jussuf rasend werden ließ.
»Warum willst du sterben?« schrie Jussuf sie an. »Was ist so schön an diesem Tod? Sei vernünftig!«
Die ›Pilgerkarawane‹ stockte. Jussuf warf Saada auf den Rücksitz und hielt sie fest. Sie war wie eine Katze, kratzte und biß um sich und entglitt immer wieder seinen Händen. Erst als er sie kurz würgte und die Luft abschnitt, wurde sie schlaff unter seinen Fingern und ergab sich erneut dem Stärkeren.
Keuchend saß Jussuf dann neben ihr und flößte ihr den eiskalten Orangensaft zwischen die Lippen.
»Mein Vater wird mich suchen«, sagte Saada, nachdem sie wieder etwas bei Kräften war. »Und der Doktor wird mich rächen …«
Jussuf senkte den Kopf. Zum erstenmal hörte er von einem Doktor. Das machte ihn nachdenklich und vorsichtig.
»Wer ist der Doktor?«
»Ein deutscher Hakim in Bou Akbir. Er wird mich suchen und finden.«
»Aha!« Jussuf wischte sich über die Augen. Der Scheich war ihm gleichgültig, von ihm drohte keinerlei Gefahr … aber der deutsche Arzt gefiel ihm gar nicht. Daß Serrat ihn verschwiegen hatte, war ein übler Trick gewesen. Jussuf hätte Saada nie übernommen, wenn er von der Existenz eines Europäers im Leben des Mädchens gewußt hätte, das war so sicher, wie sie jetzt mitten im Salzsumpf standen, unter einer Sonne, die wie geschmolzenes Blei war.
Er hat mich doch betrogen, dachte Jussuf und kniff die dünnen Lippen zusammen. Ich habe mir für achttausend Francs nicht ein Mädchen, sondern eine Hetzjagd gekauft. Gibt es diesen deutschen Arzt wirklich, dann wird man mit
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