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Der Gefangene

Titel: Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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sprach, was Dennis ganz recht war. Er konnte kein Spanisch und hatte auch keine Lust, es zu lernen. Sein erstes Problem bestand darin, zu lernen, wie er sich eine Privatsphäre schaffen konnte, wenn er die ganze Zeit über einen anderen Mann neben sich sitzen hatte.
    Dennis schwor sich, jeden verfügbaren Moment zu nutzen, um sein Urteil anzufechten und aufheben zu lassen. Aufgeben wäre so einfach gewesen. Das Justizsystem war übermächtig und arbeitete gegen die Häftlinge, doch er war fest entschlossen, sein Ziel zu erreichen.
    Conner war überbelegt und bekannt für Gewalttaten. Gangs, Morde, Prügeleien, Vergewaltigungen und Drogen waren an der Tagesordnung. Viele Wärter waren korrupt. Dennis fand schnell heraus, wo die sicheren Bereiche waren, und ging Männern, die er für gefährlich hielt, aus dem Weg. Angst war für ihn etwas Gutes. Nach ein paar Monaten passten sich die meisten Häftlinge unbewusst der Gefängnisroutine an und ließen sich institutionalisieren. Sie waren nicht mehr so vorsichtig, gingen Risiken ein, hielten Sicherheit für selbstverständlich.
    Was unweigerlich dazu führte, dass man sich Ärger einhandelte. Dennis schwor sich, nie zu vergessen, dass er Angst hatte.
    Die Gefangenen wurden um sieben Uhr morgens geweckt. Zu diesem Zeitpunkt wurden auch die Zellentüren geöffnet. Die Männer aßen in der großen Cafeteria. Dort konnten sie sitzen, wo sie wollten. Die Weißen belegten eine Seite, die Schwarzen die andere, und die Indianer und die Latinos waren in der Mitte eingeklemmt, mit der Tendenz zur dunkleren Seite. Das Frühstück war gar nicht schlecht -Eier, Maisgrütze, Speck. Der Geräuschpegel war immer recht hoch, da die Männer froh waren, wenn sie sich mit jemandem unterhalten konnten.
    Die meisten Häftlinge wollten arbeiten; sie hätten alles getan, um aus dem Zellentrakt herauszukommen. Da Dennis Lehrer war, sollte er die anderen Häftlinge im Rahmen des Programms General Equivalency Diploma unterrichten, das in etwa einem Highschoolabschluss entspricht. Nach dem Frühstück ging er deshalb in das Klassenzimmer und unterrichtete bis Mittag. Dafür bekam er 7,20 Dollar im Monat.
    Seine Mutter und seine Tante schickten ihm jeden Monat fünfzig Dollar - Geld, das sie sich vom Mund absparen mussten, aber stets zusammenbrachten. Dennis kaufte sich davon Tabak, Thunfisch in der Dose, Kräcker und Kekse in der Kantine. Der kleine Vorrat an Lebensmitteln und Zigaretten, den sich die Häftlinge in ihren Zellen anlegten, war für andere tabu und wurde mit allen Mitteln verteidigt. So gut wie alle Gefangenen rauchten, und Zigaretten waren die gängige Währung. Eine Packung Marlboro war genauso gut wie eine Handvoll Bargeld.
    Dennis fand schnell heraus, wo sich die juristische Fachbibliothek befand, und stellte erfreut fest, dass er sie von dreizehn bis sechzehn Uhr benutzen konnte, ohne gestört zu werden. Er hatte noch nie im Leben ein juristisches Fachbuch in der Hand gehabt, war aber fest entschlossen, sich mit der Materie auseinanderzusetzen. Einige der »Referendare« - andere Häftlinge, die sich für Amateuranwälte hielten und sich recht gut auskannten - freundeten sich mit ihm an und zeigten ihm, wie man sich in den dicken Abhandlungen und Fallsammlungen zurechtfand. Wie üblich verlangten sie dafür ein Honorar. Es wurde in Zigaretten bezahlt.
    Dennis begann seine juristische Ausbildung, indem er Hunderte Urteile las, die Gerichte in Oklahoma gesprochen hatten. Er suchte darin nach Ähnlichkeiten und potenziellen Fehlern, die während seines Prozesses gemacht worden waren. Seine Revisionsanträge sollten bald gestellt werden, und er wollte genauso viel wissen wie sein Anwalt. Als er die Fallsammlungen für Urteile auf Bundesebene entdeckte, notierte er sich Einzelheiten zu Tausenden Fällen aus allen Bundesstaaten.
    Von sechzehn bis siebzehn Uhr wurden alle Gefangenen für eine Stunde in ihre Zellen gesperrt, damit sie gezählt und Berichte geschrieben werden konnten. Um halb acht war das Abendessen beendet, und bis zur nächsten Zellenschließung um Viertel nach zehn konnten sich die Gefangenen frei im Trakt bewegen, Sport treiben, Karten oder Domino spielen. Viele hingen einfach nur herum und saßen in Gruppen zusammen, redeten, rauchten und schlugen die Zeit tot.
    Dennis ging wieder in die Gefängnisbibliothek.
    Seine Tochter Elizabeth war jetzt fünfzehn, und die beiden schrieben sich oft. Sie wuchs bei ihrer Großmutter mütterlicherseits auf, in einem stabilen Umfeld

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