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Der Gefangene

Titel: Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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toleranter zuging. Da sie kein Geld hatten, kamen sie auf die Idee, eine Bank zu überfallen, ein Unterfangen, mit dem keiner von beiden Erfahrung hatte. Sie suchten sich eine Bank in Geronimo aus, und nachdem sie hineinmarschiert und ihre Absichten verkündet hatten, ging alles schief. Neill und sein Partner erstachen drei Bankangestellte, erschossen einen Kunden und verwundeten drei andere. Mitten in dem Blutbad ging Neill die Munition aus, was er allerdings erst bemerkte, als er einem kleinen Kind seinen Revolver an den Kopf hielt und abdrückte. Der Schuss ging nicht los, und das Kind blieb unverletzt, zumindest körperlich. Die beiden Killer entkamen mit zwanzigtausend Dollar Bargeld und fuhren nach San Francisco, wo sie erst einmal einkaufen gingen - bodenlange Nerzmäntel, auffällige Schals und dergleichen. Sie warfen in Schwulenbars mit Geld um sich und führten für etwas mehr als vierundzwanzig Stunden ein dekadentes Leben. Dann brachte man sie wieder nach Oklahoma, wo Neill später hingerichtet werden würde.
    Im Todestrakt zitierte Neill gern aus der Bibel und hielt Minipredigten, denen aber nicht viele zuhörten.
    Die medizinische Versorgung der Gefangenen hatte im Todestrakt keine Priorität. Jeder Häftling sagte, dass man zuerst die Gesundheit und dann den Verstand verliere. Ron wurde von einem Gefängnisarzt untersucht, der die Akte seines letzten Gefängnisaufenthaltes und seine komplette Krankengeschichte auf dem Schreibtisch hatte. In den Unterlagen stand, dass ein langjähriger Drogen- und Akoholmissbrauch vorlagen, was im F-Trakt beileibe keine Überraschung war. Außerdem war ihnen zu entnehmen, dass Ron Depressionen hatte und seit mindestens zehn Jahren unter einer bipolaren Störung litt. Dazu kamen eine leichte Schizophrenie und eine Persönlichkeitsstörung.
    Ron erhielt wieder Mellaril, was ihn ruhiger werden ließ.
    Die meisten Häftlinge dachten, Ron würde den Verrückten nur spielen und so tun, als wäre er übergeschnappt, in der Hoffnung, seiner Hinrichtung zu entgehen. Zwei Zellen neben Greg Wilhoit lebte ein alter Gefangener namens Sonny Hays. Niemand wusste so genau, wie lange Sonny schon auf seine Hinrichtung wartete, aber er war vor allen anderen im Todestrakt angekommen. Er war fast siebzig, schwer krank und weigerte sich, mit jemandem zu sprechen. Seine Zellentür hatte er mit Zeitungen und Decken verhängt, und das Licht wurde nie eingeschaltet. Sonny aß nur so viel, dass er gerade noch am Leben blieb, er duschte nie, rasierte sich nicht, ließ sich nicht die Haare schneiden, hatte nie Besuch und weigerte sich, mit seinen Anwälten zu reden. Er schrieb keine Briefe, bekam auch keine, telefonierte nie, kaufte nichts aus der Kantine, ließ seine Wäsche nicht waschen und besaß weder Fernseher noch Radio. Nie verließ er seine dunkle Höhle, und es konnten Tage vergehen, ohne dass ein einziger Laut aus seiner Zelle drang.
    Sonny war geisteskrank, und da geistig unzurechnungsfähige Personen nicht hingerichtet werden können, faulte er langsam vor sich hin und starb zu seinen eigenen Bedingungen. Jetzt hatten sie noch einen Verrückten im Todestrakt, obwohl Ron Mühe hatte, die anderen davon zu überzeugen. Schließlich tat er ja nur so, als wäre er übergeschnappt.
    Einer seiner Ausfälle zog jedoch die Aufmerksamkeit aller Gefangenen auf ihn. Ron brachte es fertig, seine Toilette zu verstopfen und seine Zelle fünf Zentimeter hoch unter Wasser zu setzen. Er zog sich nackt aus und machte vom oberen Stockbett aus Bauchplatscher in die Wasserpfütze, wobei er unzusammenhängendes Zeug brüllte. Schließlich gelang es den Wärtern, ihn zu packen und mit Medikamenten ruhigzustellen.
    Es gab zwar keine Klimaanlage im F-Trakt, aber eine Heizung war vorhanden. Als der Winter kam, gingen alle davon aus, dass warme Luft durch die alten Heizungsschächte gepumpt werden würde, was aber nicht der Fall war. In den Zellen war es eiskalt. Auf der Innenseite der Fenster bildete sich nachts häufig Eis, und die in ihre Decken gewickelten Häftlinge blieben so lange wie möglich im Bett.
    Schlafen war nur möglich, wenn man sämtliche verfügbare Kleidung anzog - zwei Paar Socken, zwei Boxershorts, zwei T-Shirts, zwei Hosen, zwei Arbeitshemden und alles andere, was sich ein Gefangener aus der Kantine besorgen konnte. Eine zweite Decke war Luxus und wurde vom Staat nicht gestellt. Das Essen, das im Sommer kalt im F-Trakt ankam, war im Winter kaum genießbar. Die Urteile gegen Tommy Ward und

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