Der Gefangene
und Handschellen angelegt, die an einem Gürtel um die Taille eingehängt wurden. Offenbar ging es um eine ernste Angelegenheit.
Wie üblich wirkte er eingefallen, war schmutzig, unrasiert und labil, und die Wärter hielten so viel Abstand wie möglich. Einer der fünf war Officer Martin. Ron wurde aus dem H-Trakt zu einem Transporter geführt und die kurze Strecke zu den Verwaltungsbüros im vorderen Teil des Gefängnisses gefahren. Umringt von seiner Eskorte, wurde er ins Büro des Gefängnisdirektors geführt, einen Raum mit einem langen Konferenztisch, an dem zahlreiche Personen offenbar auf ein dramatisches Ereignis warteten. Immer noch gefesselt und von den Wärtern streng bewacht, wurde Ron an das eine Ende des Tisches gesetzt. Am anderen Ende saß der Gefängnisdirektor, der die Besprechung damit begann, dass er Ron seine zahlreichen Mitarbeiter vorstellte, die allesamt recht trübselig dreinblickten.
Eine Begegnung der nicht ganz so angenehmen Art.
Dann wurde Ron eine »Benachrichtigung« überreicht, die der Gefängnisdirektor laut vorlas:
Sie sollen wegen des von Ihnen begangenen Mordes am Dienstag, dem 27. September 1994, um 12:01 Uhr vom Leben zum Tode gebracht werden. Zweck dieser Zusammenkunft ist es, Sie mit den Ver haltsmaßregeln für die nächsten dreißig Tage vertraut zu machen und gewisse Privilegien zu besprechen, die Ihnen zustehen.
Ron wurde wütend und sagte, er habe niemanden umgebracht. Was auch immer er in seinem Leben getan haben möge, ein Mörder sei er nicht.
Der Gefängnisdirektor las weiter, woraufhin Ron erneut einwarf, dass er Debbie Carter nicht getötet habe.
Der Gefängnisdirektor und der Leiter des H-Traktes redeten ein paar Minuten lang auf ihn ein, um ihn zu beruhigen. Sie seien nicht da, um ihn zu verurteilen, sagten sie, sondern hielten sich nur an die Vorschriften.
Aber Ron hatte ein Video, auf dem Ricky Simmons das Verbrechen gestand, und das wollte er dem Gefängnisdirektor zeigen. Er bestritt den Mord an Debbie erneut und sprach davon, dass er in Ada im Fernsehen auftreten und seine Unschuld beteuern wolle. Außerdem erwähnte er, dass seine Schwester in Ada aufs College gegangen sei. Der Gefängnisdirektor las weiter:
Am Morgen vor der Hinrichtung werden Sie in einer besonderen Zelle untergebracht werden, in der Sie bis zum Zeitpunkt der Exekution verbleiben. Dort werden Sie bis zur Hinrichtung ständig durch Wärter überwacht werden.
Ron unterbrach ihn erneut und schrie, er habe Debbie Carter nicht umgebracht. Der Gefängnisdirektor ließ sich nicht beirren und las ihm seitenweise Vorschriften über Besucher, persönlichen Besitz und die Organisation der Bestattung vor. Ron zog sich innerlich zurück und versank in Niedergeschlagenheit.
»Was sollen wir mit Ihrer Leiche tun?«, fragte der Gefängnisdirektor.
Ron war aufgewühlt und verwirrt und auf eine solche Frage nicht vorbereitet. Schließlich stammelte er, sie sollten ihn seiner Schwester schicken.
Weil er keine Fragen hatte und behauptete, alles verstanden zu haben, wurde er in seine Zelle zurückgebracht. Der Countdown begann.
Ron vergaß, Annette anzurufen. Als sie zwei Tage später ihre Post durchging, stieß sie auf einen Umschlag aus McAlester. Er enthielt einen Brief des stellvertretenden Gefängnisdirektors:
Sehr geehrte Ms Hudson,
mit großem Bedauern muss ich Sie darüber in Kenntnis setzen, dass die Hinrichtung Ihres Bruders, Ronald Keith Williamson, Nummer 134846, für Dienstag, den 27. September 1994,12:01 Uhr, im Staats gefängnis von Oklahoma angesetzt wurde.
Besuche in den letzten vierundzwanzig Stunden sind beschränkt auf Geistliche, den Prozessbevollmächtigten und zwei weitere Personen, die die Erlaubnis des Gefängnisdirektors benötigen.
So schmerzlich dies auch sein mag, es müssen Vorkehrungen für die Beerdigung getroffen werden, die Sache der Familie sind. Sollte die Familie diesbezüglich keine Angaben machen, wird der Staat für die Beerdigung sorgen. Bitte teilen Sie uns Ihre Entscheidung in dieser Angelegenheit mit.
Mit freundlichen Grüßen
Ken Klingler
Annette rief Renee an und erzählte ihr von der schrecklichen Neuigkeit. Beide waren verzweifelt und taten ihr Bestes, einander davon zu überzeugen, dass es nicht wahr sein konnte. Schließlich trafen sie die Entscheidung, Rons Leiche nicht nach Ada zu holen. Sie würden ihn nicht in Criswells Bestattungsinstitut zur Schau stellen, damit ihn die ganze Stadt begaffen konnte. Stattdessen würden sie sich auf
Weitere Kostenlose Bücher