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Der Gefangene

Titel: Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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hundertsiebzig Meter. Pitcher war Chuck Stobbs.« Der Führer war beeindruckt.
    Annette folgte Ron in ein paar Schritten Abstand. Wie immer kümmerte sie sich um die Einzelheiten, traf schwierige Entscheidungen, brachte alles wieder in Ordnung. Sie war kein Baseballfan, und im Moment ging es ihr vor allem darum, dass ihr Bruder nüchtern blieb. Er war sauer auf sie, weil sie ihm am Vorabend nicht erlaubt hatte, sich zu betrinken.
    Zu ihrer Gruppe gehörten auch Dennis Fritz, Greg Wilhoit und Tim Durham. Alle vier waren in Good Morning America, zu Gast gewesen. Der Fernsehsender ABC hatte die Reisekosten übernommen. Jim Dwyer von der New Yorker Daily News gehörte ebenfalls zu ihrer Gruppe.
    Sie blieben im Center Field auf dem Warnstreifen stehen. Auf der anderen Seite befand sich der Monument Park mit den großen Büsten von Ruth und Gehrig, Mantle und Di-Maggio und einem Dutzend kleinerer Tafeln zur Erinnerung an weitere große Yankee-Spieler. Vor der Renovierung habe dieser kleine Winkel geradezu geheiligten Bodens tatsächlich zum Fair Territory gehört, erklärte der Führer. Ein Tor im Zaun führte zu dem mit Ziegeln gepflasterten Hof. Für einen Augenblick hätte man vergessen können, dass sie sich in einem Baseballstadion befanden.
    Ron trat dicht an die Büste von Mantle heran und las die kurze Biografie auf der Tafel. Als Kind hatte er die wichtigsten Daten seiner Karriere auswendig gelernt, und er wusste sie immer noch.
    Sein letztes Jahr als Yankee hatte Ron 1977 in Fort Lauderdale in der Class A gespielt. Viel weiter konnte sich ein ernsthafter Spieler nicht vom Monument Park entfernen.
    Annette besaß ein paar alte Fotos von ihm in der Spielkleidung der Yankees. Die war sogar wirklich einmal von einem echten Yankee in eben diesem Stadion getragen worden. Der große Klub gab sie einfach weiter, und auf dem traurigen Weg der alten Spielkleidung durch die Minor Leagues trug sie Narben davon, die das Leben fernab der großen Zentren mit sich brachte. Jede einzelne Hose war an Knien und Gesäß geflickt. Jedes einzelne Taillenband war eingenäht, wieder herausgelassen und mit Markierungen versehen worden, damit die Hosen gerade saßen. Jedes Trikot zeigte Gras- und Schweißflecken.
    1977 spielte Ron vierzehnmal für die Fort Lauderdale Yankees, schlug dreiunddreißig Innings, gewann zwei, verlor vier und hatte so hart zu kämpfen, dass die Yankees kein Problem damit hatten, ihn abzuservieren, als die Saison endlich vorüber war. Die Führung ging weiter. Ron blieb kurz stehen, um die Gedenktafel von Reggie Jackson mit einem verächtlichen Blick zu bedenken. Der Führer erzählte, dass sich die Größe des Stadions immer wieder verändert habe. So sei es zu Ruths Zeiten größer gewesen als zu denen von Maris und Mantle. Die Filmcrew folgte ihnen gehorsam und drehte Szenen, die umgehend der Schere zum Opfer fallen würden.
    Annette amüsierte sich über die Aufmerksamkeit, die Ron zuteil wurde. Als Kind und als Teenager hatte er sich danach gesehnt, im Scheinwerferlicht zu stehen. Vierzig Jahre später folgten die Kameras tatsächlich jeder seiner Bewegungen.
    Genieß den Augenblick, sagte sie sich. Noch vor einem Monat saß er in einem psychiatrischen Krankenhaus, und niemand wusste, ob er dort je herauskommen würde.
    Gemächlich schlenderten sie zur Bank der Yankees zurück, wo sie eine Weile herumstanden. Ron genoss die letzten Minuten der magischen Atmosphäre. »Jetzt kann ich mir vorstellen, was für ein Gefühl es sein muss, hier zu spielen«, sagte er zu Mark Barrett.
    Mark nickte, aber ihm fiel keine Antwort darauf ein.
    »Ich wollte immer nur Baseball spielen«, meinte Ron. »Das war das Einzige in meinem Leben, das mir wirklich Spaß gemacht hat.«
    Er schwieg und sah sich kurz um. »Es ist wie eine Welle, die über dich drüberspült, weißt du. Irgendwann ist es vorbei. Ich will eigentlich nur ein kaltes Bier.« In New York begann das Trinken.
    Vom Yankee-Stadion aus ging der Triumphzug weiter nach Disney World, wo ein deutscher Fernsehsender der ganzen Gruppe drei Nächte im Themenpark spendierte. Dafür mussten Ron und Dennis ihre Geschichte erzählen. Die Deutschen, als typische Europäer vom Thema Todesstrafe fasziniert, hielten alle Einzelheiten fest. Am besten gefiel Ron Epcot mit dem deutschen Dorf. Dort gab es bayrisches Bier, von dem er einen Krug nach dem anderen leerte.
    Sie flogen zu einem Live-Auftritt in Leeza nach Los Angeles. Kurz vor der Sendung schlich Ron sich weg und kippte

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