Der Gefangene
Dollar Kaution und wurde freigelassen. Ron engagierte John Tanner, einen erfahrenen Strafverteidiger, und gab zu, mit Lentzch Sex gehabt zu haben. Er schwor, es sei in gegenseitigem Einvernehmen geschehen; sie hätten sich in einer Disco kennengelernt, und sie habe ihn in ihre Wohnung eingeladen, wo sie schließlich im Bett gelandet seien. Tanner glaubte seinem Mandanten, was selten vorkam.
Für Rons Freunde war es eine lachhafte Vorstellung, dass er jemanden vergewaltigt haben sollte. Die Frauen warfen sich ihm praktisch an den Hals. Er konnte sich in jeder Bar eine aussuchen, und schließlich stellte er keinen unschuldigen Betschwestern nach. Die Frauen, denen er in Bars und Discos begegnete, legten es darauf an. Obwohl ihn die Anklage demütigte, war er entschlossen, weiter so zu leben, als wäre er in keinster Weise beunruhigt. Er machte die Nächte durch und lachte alle aus, die zu ihm sagten, er stecke ihn Schwierigkeiten. Er hatte doch einen guten Anwalt! Von ihm aus konnte der Prozess beginnen.
Insgeheim jagte ihm die Geschichte Angst ein, und zwar mit gutem Grund. Es war schon ernüchternd genug, eines so schweren Verbrechens angeklagt zu sein, aber die Vorstellung, einer Jury gegenüberzusitzen, die ihn für viele Jahre ins Gefängnis schicken konnte, war entsetzlich.
Die meisten Einzelheiten hielt er vor seiner Familie geheim - Ada war zwei Autostunden entfernt -, aber ihr fiel auf, dass er noch verschlossener war. Und noch heftigere Stimmungsschwankungen hatte.
Während sich seine Welt immer mehr verfinsterte, wehrte sich Ron mit den einzigen Mitteln, die ihm zur Verfügung standen. Er trank noch mehr, riss noch mehr Frauen auf, kam noch später nach Hause, alles in dem Bemühen, das Leben zu genießen und seinen Sorgen zu entkommen. Aber der Alkohol verstärkte seine Depression, oder vielleicht verlangte die Depression mehr Alkohol. Wie auch immer, er war niedergeschlagen, seine Stimmung verdüsterte sich weiter. Und sein Verhalten wurde unberechenbarer.
Am 9. September erfuhr die Polizei von Tulsa durch einen Telefonanruf von einer weiteren angeblichen Vergewaltigung. Eine Achtzehnjährige namens Dell Ferneyhough war nach einer langen Nacht in einer Disco um vier Uhr morgens zu ihrer Wohnung zurückgekehrt. Sie hatte sich mit ihrem Freund gestritten, der in der Wohnung schlief, die Tür aber abgeschlossen hatte. Sie konnte ihren Schlüssel nicht finden, und da sie dringend auf die Toilette musste, eilte sie zu einem kleinen Laden in der Nachbarschaft, der die ganze Nacht geöffnet hatte. Dort stolperte sie über Ron Williamson, der wieder mal spätnachts unterwegs war. Die beiden kannten sich nicht, plauderten aber miteinander und verschwanden schließlich hinter dem Laden, wo sie auf einer nicht gemähten Wiese Sex miteinander hatten.
Laut Ferneyhough hatte Ron ihr einen Faustschlag verpasst, ihr die Kleidung vom Leib gerissen und sie vergewaltigt.
Laut Ron war Ferneyhough sauer gewesen, weil ihr Freund sie ausgesperrt hatte. Sie sei mit einer schnellen Nummer im Gras einverstanden gewesen.
Zum zweiten Mal in fünf Monaten musste Ron eine Kaution hinterlegen und John Tanner anrufen. Jetzt hatte er zwei Vergewaltigungsprozesse am Hals. Zunächst ließ er es mit dem Nachtleben langsamer angehen, dann zog er sich völlig zurück. Er lebte allein und sprach praktisch mit niemandem mehr. Annette, die gelegentlich Geld schickte, war über ein paar Einzelheiten informiert. Bruce Leba wusste nur wenig über den Stand der Dinge.
Im Februar 1979 wurde zuerst die von Dell Ferneyhough angestrengte Klage vor Gericht verhandelt. Ron erklärte den Geschworenen, er habe mit Ferneyhough Geschlechtsverkehr gehabt, um vier Uhr morgens auf der Wiese hinter dem Laden, aber es sei in gegenseitigem Einvernehmen geschehen. Die Jury zog sich für eine Stunde zurück, schenkte seiner Darstellung Glauben und befand ihn für unschuldig. Im Mai hatte sich die nächste Jury mit der anderen Klage wegen Vergewaltigung zu befassen, die Lyza Lentzch erhoben hatte. Erneut erläuterte Ron den Geschworenen ausführlich seine Sicht der Dinge. Er sei Miss Lentzch in einer Disco begegnet, habe mit ihr getanzt. Sie habe ihm gefallen, er ihr offenbar auch, denn sie habe ihn in ihre Wohnung eingeladen, wo sie in gegenseitigem Einvernehmen miteinander geschlafen hätten. Lentzch wiederum sagte, sie habe nicht mit Williamson ins Bett gehen wollen und sich zeitig bemüht, seine Annäherungsversuche zu stoppen. Aber sie habe Angst vor ihm
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