Der Gefangene
Familienmitglied mitzuteilen. Peggy war mit plötzlichen Veränderungen überfordert, und Glenna versuchte, sie nach Möglichkeit abzuschirmen. Glenna rief Bill Peterson an, um ihn zu fragen, was er vorhatte. Er erklärte, dass die Exhumierung unabdingbar sei, wenn die Familie wolle, dass Ron Williamson und Dennis Fritz wegen Mordes angeklagt würden. Der blutige Handabdruck stelle bislang ein Hindernis dar. Wenn er aber in Wahrheit von Debbie stamme, könne man umgehend gegen Fritz und Williamson vorgehen.
Glenna war irritiert. Wieso wusste Peterson schon, was bei einem erneuten Vergleich herauskommen würde, obwohl die Leiche noch gar nicht exhumiert war? Wie konnte er so sicher sein, dass die neuen Ergebnisse Fritz und Williamson belasten würden? Peggy war inzwischen besessen von dem Gedanken, ihre Tochter wiederzusehen. Einmal sagte sie zu ihrer Schwester: »Ich habe ganz vergessen, wie ihre Stimme klingt.« Glenna ließ sich von Bill Peterson versprechen, dass die Exhumierung rasch durchgeführt wurde und abgeschlossen war, ehe jemand davon erfuhr. Peggy ging ihrer Arbeit bei Brockway Glass nach, als ein Kollege vorbeikam und sie fragte, was drüben auf dem Rosedale-Friedhof in der Nähe von Debbies Grab los sei. Sie verließ die Fabrik, rannte durch die Stadt, fand aber nur noch ein leeres Grab vor. Ihre Tochter war nicht mehr da.
Die erste Serie von Handabdrücken hatte Jerry Peters vom OSBI am 9. Dezember 1982 im Zusammenhang mit der Autopsie gemacht. Damals waren Debbies Hände noch unversehrt gewesen, und Peters war überzeugt, eine aussagekräftige Serie erstellt zu haben. In seinem Bericht drei Monate später hatte er dargelegt, dass der blutige Abdruck auf der Rigipsplatte zweifelsfrei weder von Fritz oder Williamson noch vom Opfer stammte.
Jetzt allerdings - viereinhalb Jahre später, der Mord war noch immer nicht aufgeklärt, und die Justizbehörden brauchten unbedingt einen Durchbruch - hegte er plötzlich Zweifel an seiner damaligen Arbeit. Drei Tage nach der Exhumierung legte er einen überarbeiteten Bericht vor, in dem er ausführte, dass der blutige Abdruck mit Debbies Hand übereinstimme. Zum ersten und einzigen Mal in seinem vierundzwanzigjährigen Berufsleben änderte Jerry Peters seine Meinung.
Der Bericht war genau das, was Bill Peterson brauchte. Ausgerüstet mit dem Beweis, dass der Handabdruck nicht von irgendeinem ominösen Unbekannten stammte, sondern von Debbie im Todeskampf hinterlassen worden war, konnte er ungehindert gegen seine Hauptverdächtigen vorgehen. Außerdem galt es, sofort die Bewohner der Stadt zu informieren, denn aus ihren Reihen würden die Geschworenen ausgewählt. Während die Justizbehörden die Exhumierung und alles, was damit zusammenhing, als vertraulich erklärten, plauderte Peterson freizügig mit der Ada Evening News. »Was wir gefunden haben, bestätigt unseren Verdacht. Wir haben einige Beweise überprüft«, wurde er zitiert.
Was genau war gefunden worden? Peterson wollte nicht in die Details gehen. Es gebe aber eine »Quelle«, die bereit sei, offen zu sprechen. »Die Leiche der Toten wurde exhumiert«, so Petersons Quelle, »sodass Abdrücke der Hand gemacht und mit dem blutigen Handabdruck auf der Wand in ihrer Wohnung verglichen werden konnten.« Die Quelle fuhr fort: »Es war entscheidend für die Ermittlungen, die Möglichkeit auszuschließen, dass der blutige Handabdruck von jemand anders als dem Opfer stammt.«
»Ich habe jetzt ein besseres Gefühl bei diesem Fall«, bekannte Peterson.
Die Haftbefehle für Ron Williamson und Dennis Fritz ließen nicht lange auf sich warten.
Am Freitag, dem 8. Mai, sah Officer Rick Carson im Westen der Stadt Ron vormittags den dreirädrigen Rasenmäher die Straße entlang schieben. Die beiden unterhielten sich kurz. Ron wirkte mit seinen langen Haaren, dem bloßen Oberkörper, den zerrissenen Jeans und abgelaufenen Turnschuhen wie immer völlig verwahrlost. Er wollte einen Job bei der Stadt, und Rick versprach, bei ihm vorbeizukommen und seine Bewerbung abzuholen. Ron sagte, er werde an diesem Abend zu Hause auf ihn warten. Carson informierte seinen Lieutenant darüber, dass der Verdächtige am Abend in seiner Wohnung in der Twelfth Street anzutreffen sein werde. Als die Verhaftung geplant wurde, bat Carson darum, dabei sein zu dürfen. Falls Ron gewalttätig werde, wolle er sicherstellen, dass niemand verletzt werde. Stattdessen wurden vier andere Polizeibeamte eingeteilt, darunter Detective Mike
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