Der Gefangene
stand und die Hände auf den Mund presste.
Sie brachten ihn in einen kleinen Vernehmungsraum einer Polizeidienststelle in Kansas City. Smith und Rogers belehrten ihn über sein Aussageverweigerungsrecht und eröffneten ihm dann, dass sie vorhätten, ein Geständnis von ihm zu bekommen. Dennis dachte immer an Ward und Fontenot und war entschlossen, ihnen nichts zu geben. Smith spielte den netten Kerl, den Kumpel, der wirklich helfen wollte. Rogers wurde sofort ausfallend - er fluchte, drohte und stieß Dennis immer wieder gegen die Brust. Vier Jahre waren seit ihrer letzten Begegnung vergangen. Im Juni 1983, nachdem Dennis Fritz beim zweiten Lügendetektortest »durchgefallen« war, war er von Smith, Rogers und Featherstone im Keller des Ada Police Department drei Stunden lang gepiesackt worden. Damals hatten sie keine Antworten bekommen, und sie bekamen auch diesmal keine.
Rogers war außer sich vor Wut. Die Beamten waren seit Jahren davon überzeugt, dass Fritz und Williamson Debbie Carter vergewaltigt und ermordet hatten. Das Verbrechen war aufgeklärt, sie brauchten nur noch das Geständnis. »Ich habe nichts zu gestehen«, wiederholte Dennis Fritz immer wieder. Haben Sie Beweise? Zeigen Sie mir Ihre Beweise.
Zu Rogers' Lieblingsaussprüchen gehörte: »Sie beleidigen meine Intelligenz.« Jedes Mal war Dennis versucht zu entgegnen: »Welche Intelligenz?« Doch die Angst vor Schlägen war größer, und er schwieg.
Nachdem er sich zwei Stunden lang hatte beschimpfen lassen, sagte Dennis: »Also gut, ich werde gestehen.« Die Ermittler waren erleichtert; da sie keinerlei Beweise hatten, konnten sie den Fall nur mithilfe eines Geständnisses knacken. Smith hastete nach draußen, um ein Tonbandgerät zu holen. Rogers legte Notizblock und Stifte zurecht. Jetzt ging's los.
Als alle bereit waren, sah Dennis Fritz auf das Aufnahmegerät und sagte: »Hier ist die Wahrheit. Ich habe Debbie Carter nicht getötet und weiß nichts über den Mord an ihr.« Smith und Rogers rasteten aus und traktierten ihn mit weiteren Drohungen und Beschimpfungen. Dennis Fritz war eingeschüchtert und voller Angst, aber er blieb standhaft. Er beharrte darauf, unschuldig zu sein, und irgendwann brachen sie die Vernehmung ab. Er weigerte sich, nach Oklahoma überstellt zu werden, und wartete im Gefängnis auf den Fortgang des Verfahrens.
Später am selben Tag wurde Ron vom Gefängnis zum Police Department gebracht, um erneut verhört zu werden. Smith und Rogers, zurück von der nervenaufreibenden Verhaftung in Kansas City, erwarteten ihn. Heute würden sie ihn zum Reden bringen, das hatten sie sich fest vorgenommen.
Die Vernehmung war schon am Tag vor der Verhaftung geplant worden. The Dreams of Ada war gerade erschienen, und es gab Kritik an den Methoden von Smith und Rogers. Sie entschieden, dass Smith, der in Ada wohnte, durch Rusty Featherstone ersetzt werden sollte, der wiederum in Oklahoma City zu Hause war. Außerdem beschlossen sie, nicht mit Video zu arbeiten.
Dennis Smith hielt sich im Gebäude auf, blieb dem Vernehmungsraum aber fern. Über vier Jahre lang hatte er die Ermittlungen geleitet und war praktisch von Anfang an überzeugt gewesen, dass Williamson schuldig war - dennoch mied er jetzt das entscheidende Verhör.
Das Ada Police Department war bestens ausgerüstet mit Audio- und Videoaufnahmegeräten, die auch häufig zum Einsatz kamen. Verhöre, vor allem Geständnisse, wurden fast immer mitgeschnitten. Die Polizei wusste, wie sehr sich Geschworene von aufgezeichneten Geständnissen beeindrucken ließen - bei Ward und Fontenot hatte sich das wieder einmal bestätigt. Auch Rons zweiter Lügendetektortest vier Jahre zuvor mit Featherstone im Police Department war aufgenommen worden. Wurden Geständnisse nicht auf Video aufgezeichnet, dann häufig zumindest auf Tonband. Die Polizei besaß also jede Menge Aufnahmegeräte.
Und wenn weder Tonband noch Video zum Einsatz kamen, wurde der Verdächtige meist aufgefordert - sofern er lesen und schreiben konnte -, seine Version der Vorfälle zu Papier zu bringen. Konnte der Verdächtige nicht lesen und schreiben, nahm einer der Detectives die Aussage auf, las sie ihm vor und ließ ihn unterzeichnen. Keine dieser Varianten wurde am 9. Mai angewandt. Williamson, der sehr wohl schreiben konnte und über einen weitaus umfassenderen Wortschatz verfügte als seine Fragesteller, sah zu, wie Featherstone Notizen machte. Er sagte, dass er über sein Aussageverweigerungsrecht informiert
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