Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Gefangene

Titel: Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
Vom Netzwerk:
gewaltig.
    Zwei Jahre zuvor hatte ihn die Familie von Tommy Ward angesprochen. Sie waren weder verwandt noch verschwägert, dennoch gab er den Fall weiter. Er war davon überzeugt, dass Tommy Ward und Karl Fontenot unschuldig waren, ging Kapitalverbrechen aber lieber aus dem Weg. Der Schreibkram war unüberschaubar und nicht gerade eine seiner Stärken.
    Nun wurde er erneut damit konfrontiert, als Richter John David Miller ihn bat, Ron Williamson zu vertreten. Barney war der erfahrenste Strafverteidiger in der County, und der Fall erforderte besonderes Geschick. Nach kurzem Zögern sagte er zu. Als Vollblutanwalt kannte er die Verfassung in- und auswendig und war der festen Überzeugung, dass jeder Angeklagte, wie unbeliebt er auch sein mochte, das Recht auf eine anständige Verteidigung hatte.
    Am 1. Juni 1987 wurde Barney Ward von Amts wegen zum Rechtsvertreter von Ron Williamson bestellt. Er war unter seinen Mandanten der erste, dem die Todesstrafe drohte. Annette und Renee freuten sich. Sie kannten Barney Ward, und sie kannten seinen Ruf als einer der besten Strafverteidiger der Stadt.
    Anwalt und Mandant hatten einen holprigen Start. Ron hatte den Knast satt und der Knast ihn. Besprechungen fanden üblicherweise in der kleinen Besuchszelle neben der Eingangstür statt. Doch Barney missfiel die Vorstellung, sich dort mit diesem widerspenstigen Kandidaten zusammenzusetzen. Er telefonierte und leitete eine psychiatrische Untersuchung für Ron in die Wege. Ron bekam erneut Thorazin verordnet, und nicht nur Barney Ward, sondern das ganze Gefängnis war erleichtert, als das Medikament anschlug. Es wirkte so gut, dass die Wärter ihm gern mal ein bisschen mehr davon gaben, um ihre Ruhe zu haben. Ron schlief wieder wie ein Baby. Während einer Besprechung aber konnte er kaum reden. Barney Ward suchte die Wärter auf, die Dosierung wurde neu bemessen, und Ron war wieder munter.
    Er verhielt sich generell unkooperativ gegenüber seinem Anwalt. Was er von sich gab, war unzusammenhängend und beschränkte sich überwiegend auf die Beteuerung, dass er unschuldig sei, dass er sich unrechtmäßig hinter Gittern befinde, so wie Ward und Fontenot. Barney Ward war vom ersten Tag an frustriert, aber er biss sich durch. Glen Gore wartete im Gefängnis auf seinen Prozess wegen Menschenraubs und Körperverletzung. Sein Pflichtverteidiger war ein junger Anwalt namens Greg Saunders, der sich in Ada gerade eine eigene Kanzlei aufbaute. Während einer Besprechung im Gefängnis gerieten er und Gore in heftigen Streit. Saunders ging ins Gericht und bat Richter Miller, ihn von dem Mandat zu entbinden. Der Richter lehnte ab, und so bot Saunders an, den nächsten Mordfall zu übernehmen, wenn er damit Gore vom Hals hätte. Abgemacht, sagte Richter Miller, dann vertreten Sie ab sofort Dennis Fritz im Fall Carter.
    Greg Saunders war alles andere als begeistert, einen Todeskandidaten vertreten zu müssen, aber er freute sich sehr darauf, mit Barney Ward zusammenzuarbeiten. Als Studienanfänger an der East Central University hatte er davon geträumt, Prozessanwalt zu werden, und oft geschwänzt, um Barney in Aktion zu sehen. Er hatte mit Spannung verfolgt, wie er unsichere Zeugen in die Mangel nahm oder Staatsanwälte unter Druck setzte. Barney Ward respektierte die Richter, aber er hatte keine Angst vor ihnen; und er wusste, wie man mit Geschworenen umging. Nie missbrauchte er seine Behinderung, doch in entscheidenden Momenten setzte er sie ein, um Sympathie zu wecken. Für Greg Saunders war Barney schlicht ein brillanter Prozessanwalt.
    Sie arbeiteten unabhängig voneinander, stimmten sich aber unter der Hand ab und reichten dabei so viele Anträge ein, dass das Büro des Bezirksstaatsanwalts im Chaos zu versinken drohte. Richter Miller beraumte für den 11. Juni eine Anhörung über strittige Punkte zwischen Verteidigung und Staatsanwaltschaft an. Barney Ward verlangte eine Liste mit den Namen sämtlicher Zeugen der Anklage. Das Gesetz des Bundesstaates Oklahoma schreibt vor, dass die Zeugen bekannt gegeben werden müssen. Bill Peterson wollte das nicht recht einsehen, woraufhin Barney ihm den Artikel erläuterte. Daraufhin wollte der Staatsanwalt nur die Namen der Zeugen nennen, die er in der Voruntersuchung vorladen würde. So nicht, beschied Richter Miller, und Peterson bekam die Anweisung, die Verteidigung rechtzeitig von jedem neuen Zeugen in Kenntnis zu setzen.
    Barney war in Beißlaune und brachte die meisten seiner Anträge durch. Aber

Weitere Kostenlose Bücher