Der Gefangene
fauchte Ron.
»Hat irgendjemand Sie bedroht... Ist es Ihre eigene persönliche Entscheidung zu verzichten ...«
»Ich sagte, ich bin derjenige, der droht.«
»Gut. Sie möchten also nicht an dieser Voruntersuchung teilnehmen?«
»Das ist korrekt.«
»Gut. Bringen Sie ihn zurück ins County-Gefängnis. Für das Protokoll: Der Angeklagte Ronald K. Williamson verzichtet auf sein Recht, in diesem Gerichtssaal anwesend zu sein, infolge seines Wutausbruchs und der daraus resultierenden Störung. Das Gericht befindet, dass diese Anhörung nicht in seiner Anwesenheit stattfinden kann - aufgrund seiner aktuellen Äußerungen gegenüber dem Gericht und seiner Wutausbrüche.«
Ron kehrte in seine Zelle zurück, und die Anhörung wurde fortgesetzt. 1956 verfügte der Supreme Court im Verfahren Bishop gegen Vereinigte Staaten, dass die Verurteilung einer unzurechnungsfähigen Person der Vorenthaltung eines rechtsstaatlichen Verfahrens gleichkommt. Wenn Zweifel an der Schuldfähigkeit einer Person bestehen, stellt die Unterlassung einer angemessenen Untersuchung eine Entziehung ihrer verfassungsmäßigen Rechte dar.
Selbst nach zwei Monaten Gefängnisaufenthalt hatte niemand, weder vonseiten der Staatsanwaltschaft noch vonseiten der Verteidigung, Rons Zurechnungsfähigkeit infrage gestellt. Dabei war die Sachlage eindeutig. Seine umfangreiche Krankenakte war für das Gericht zugänglich. Seine Ausfälle im Gefängnis - wenn sie auch durch die willkürliche Gabe von Medikamenten in gewisser Weise unter Kontrolle waren - hätten klare Warnhinweise sein müssen. Sein Ruf in Ada war bekannt, insbesondere bei der Polizei.
Auch sein Verhalten vor Gericht war nichts Neues. Zwei Jahre zuvor hatte die Staatsanwaltschaft versucht, Rons Bewährungsstrafe in der Fluchtsache zu widerrufen. Da hatte er die Anhörung so nachhaltig gestört, dass man ihn zur Untersuchung in eine psychiatrische Einrichtung schickte. Vorsitzender Richter war damals John David Miller, derselbe Richter Miller, der nun die Voruntersuchung leitete. Derselbe Richter Miller, der Ron seinerzeit für unzurechnungsfähig erklärt hatte.
Heute - es waren zweieinhalb Jahre vergangen, und die Todesstrafe drohte - sah Richter Miller offenbar nicht die Notwendigkeit, Rons Geisteszustand untersuchen zu lassen. In Oklahoma gibt es ein Gesetz, das einem Richter, auch dem leitenden Richter in einer Voruntersuchung, erlaubt, das Verfahren zu unterbrechen, wenn die Zurechnungsfähigkeit eines Angeklagten strittig ist. Ein Antrag vonseiten der Verteidigung ist nicht erforderlich. Die meisten Prozessanwälte würden sicher ins Feld führen, dass ihr Mandant schon lange psychische Probleme habe und ein Gutachten unabdingbar sei. Doch wenn kein entsprechender Antrag erfolgt, ist es die Pflicht des Richters, die verfassungsmäßigen Rechte des Angeklagten zu schützen. Da Richter Miller schwieg, hätte Barney Ward aktiv werden müssen. Als Verteidiger hätte er ein psychiatrisches Gutachten über seinen Mandanten verlangen können. Im nächsten Schritt hätte eine Voruntersuchung zur Feststellung der Zurechnungsfähigkeit angestrebt werden können, eine Routinemaßnahme, wie sie David Morris zwei Jahre zuvor schon ergriffen hatte.
Ohne Ron verlief die Anhörung ruhig und gesittet. Sie dauerte mehrere Tage, in denen Ron seine Zelle nicht mehr verließ. Ob er geistig dazu in der Lage war, seine Verteidigung zu unterstützen, spielte keine Rolle.
Als Erster trat Dr. Fred Jordan in den Zeugenstand und gab einen Bericht über Autopsie und Todesursache: Tod durch Ersticken infolge eines um den Hals gelegten Gürtels oder eines Waschlappens im Mund oder vermutlich beides.
Die Lügen begannen mit dem zweiten Zeugen. Glen Gore sagte aus, er sei am Abend des 7. Dezember mit ein paar Freunden im Coachlight gewesen. Auch Debbie Carter sei dabei gewesen, er habe sie seit der gemeinsamen Schulzeit gekannt. Irgendwann am Abend habe sie ihn gebeten, ihr zu »helfen« oder sie zu »retten«, weil Ron Williamson ebenfalls da sei und sie belästige.
Dennis Fritz habe er an diesem 7. Dezember nicht im Coachlight gesehen. Im Kreuzverhör sagte Gore, dass er das der Polizei am 8. Dezember erzählt habe, doch das damalige Vernehmungsprotokoll enthält den Namen Ron Williamson nicht. Auch war das Protokoll der Verteidigung nicht zugänglich gemacht worden, so wie es die Verfahrensbestimmungen vorschreiben.
Auf diese Weise wurde Glen Gore der einzige Zeuge, der Ron Williamson mit seiner Aussage
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