Der Gefangene
Hufeisen, den ihre Mutter schon als Geschenk für das bevorstehende Weihnachtsfest gekauft hatte.
Der gut besuchte Trauergottesdienst wurde von Reverend Rick Summers abgehalten. Als Debbie danach auf dem Rosedale-Friedhof beigesetzt wurde, fiel etwas Schnee. Ihre Eltern, zwei Schwestern, zwei noch lebende Großeltern und zwei Neffen trauerten um sie. Debbie gehörte zu einer kleinen Baptistengemeinde und war im Alter von sechs Jahren getauft worden.
Der Mord erschütterte die Menschen in Ada. Obwohl die Stadt in ihrer Geschichte reichlich Erfahrungen mit Gewalt und Morden gemacht hatte, waren die Opfer gewöhnlich Cowboys, Vagabunden und ähnlich unstete Existenzen gewesen. Männer, die selbst schnell zur Waffe griffen und wahrscheinlich zur Gefahr geworden wären, wenn sie sich keine Kugel eingefangen hätten. Aber eine so brutale Vergewaltigung einer jungen Frau mit anschließendem Mord war beängstigend, und in der Stadt kursierten jede Menge Gerüchte und Spekulationen. Jetzt wurden Türen und Fenster nachts fest geschlossen, Teenager erhielten Ausgehverbote. Junge Mütter blieben in der Nähe, wenn ihre Kinder in den schattigen Vorgärten spielten.
In den Bars und Lokalen war von fast nichts anderem mehr die Rede. Da Debbie in mehreren Kneipen gearbeitet hatte, war sie vielen Stammgästen bekannt. Sie war mit einigen Männern liiert gewesen, die in den Tagen nach dem Mord alle von der Polizei befragt wurden. Namen fielen -weitere Freunde, weitere Bekannte, weitere ehemalige Partner. Dutzende von Vernehmungen brachten immer neue Namen ins Spiel, wiesen aber keine Spur zu einem Tatverdächtigen. Debbie war gesellig und sehr beliebt gewesen, und niemand konnte sich vorstellen, dass jemand ihr etwas Böses antun wollte.
Die Polizei stellte eine Liste mit den Namen von dreiundzwanzig Personen zusammen, die sich am Abend des 7. Dezember im Coachlight aufgehalten hatten, und befragte einige von ihnen. Obwohl die meisten Ron Williamson kannten, erinnerte sich niemand daran, ihn dort gesehen zu haben.
Den Polizisten kamen allerlei merkwürdige Tipps, Geschichten und Erinnerungen zu Ohren. Eine junge Frau namens Angelia Nail, die eng mit Debbie befreundet gewesen war, erzählte Dennis Smith von einer Auseinandersetzung mit Glen Gore. Debbie hatte vermutet, dass Gore die Scheibenwischer ihres Autos gestohlen hatte. Um diese Geschichte entwickelte sich ein längerer Streit. Debbie kannte Gore seit der Highschool und hatte Angst vor ihm. Etwa eine Woche vor dem Mord hatte Angelia Debbie zu Gore gefahren, weil sie eine offene Aussprache mit ihm wollte. Als sie nach dem Gespräch zum Auto zurückkehrte, war sie wütend und davon überzeugt, dass er die Scheibenwischer gestohlen hatte. Sie fuhren zur Polizei und sprachen mit einem Off icer, aber ein Bericht wurde nie erstellt.
Sowohl Duke Graham als auch Jim Smith waren der Polizei von Ada gut bekannt. Graham führte mit seiner Frau Johnnie eine Kneipe, wo es einigermaßen zivilisiert zuging und selten Ärger gab. Laute Meinungsverschiedenheiten waren die Ausnahme, doch es hatte eine besonders unangenehme mit Jim Smith gegeben, einem örtlichen Kleinkriminellen, der in betrunkenem Zustand Ärger gemacht hatte. Als er sich weigerte, das Lokal zu verlassen, zauberte Graham eine Schrotflinte hervor und setzte ihn vor die Tür. Drohungen wurden ausgetauscht, und für ein paar Tage herrschte in der Kneipe eine angespannte Atmosphäre. Bei Smith musste man damit rechnen, dass er seinerseits mit einer Schrotflinte zurückkam und das Feuer eröffnete.
Glen Gore war hier Stammkunde gewesen, bis er begonnen hatte, zu intensiv mit Johnnie zu flirten. Als er einmal etwas zu aufdringlich wurde, zeigte sie ihm die kalte Schulter, und Graham ergriff die Initiative. Er erteilte Gore Hausverbot.
Wer immer Debbie Carter getötet haben mochte, er versuchte unbeholfen, Duke Graham den Mord anzuhängen, und zugleich, Jim Smith davonzujagen. Doch der war schon weg - er saß eine Strafe im Gefängnis ab. Duke Graham ging zur Polizei und präsentierte ein solides Alibi.
Debbies Familie wurde aufgefordert, die Wohnung der Verstorbenen zu räumen. Da ihre Mutter immer noch völlig handlungsunfähig war, erbot sich Glenna Lucas, die unangenehme Aufgabe zu übernehmen.
Ein Polizist schloss die Tür auf, und Glenna trat zögernd ein. Seit dem Mord war nichts angerührt worden, und ihre erste Reaktion war blanke Wut. Es war offensichtlich, dass es eine handgreifliche Auseinandersetzung gegeben
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