Der Gefangene
erschienen war. Peterson ging systematisch vor. Er war der Meinung, ein Fall müsse langsam aufgebaut werden, Stein für Stein, Zeuge um Zeuge, ja nichts Ausgefallenes oder Anrüchiges. Man musste Beweise anhäufen und sämtliche Zweifel bei den Geschworenen ausräumen. Doch Dennis Fritz war eine harte Nuss, da es keine materiellen Beweise gab.
Also mussten Spitzel her.
Der erste Spitzel, der aussagte, war James Harjo, den man wie Gore aus dem Gefängnis geholt hatte. Der geistig etwas zurückgebliebene Harjo war nicht nur zweimal in dasselbe Haus eingebrochen, sondern hatte sich auch jedes Mal auf dieselbe Art Zugang verschafft - dasselbe Schlafzimmer, dasselbe Fenster. Nach seiner Verhaftung wurde er von der Polizei verhört. Mit einem Stift, einem Blatt Papier - Gegenstände, die Harjo völlig fremd waren - und ein paar Zeichnungen hatten die Beamten dem Jungen Einzelheiten des Einbruchs entlockt und den Fall auf diese Weise gelöst. Das musste Harjo schwer beeindruckt haben, denn als er mit Dennis zusammen im Gefängnis saß, beschloss er auf Drängen der Polizei, den Mord an Debbie Carter zu lösen, indem er Männchen auf ein Blatt Papier malte.
Harjo erklärte den Geschworenen seine scharfsinnige Strategie. In der drangvollen Enge der Gemeinschaftszelle habe er Dennis über den Mord ausgefragt. Irgendwann im Lauf ihres Gesprächs, als seine Kritzelei ihren Höhepunkt erreichte, habe er zu Dennis gesagt: »Es sieht ganz so aus, als wärst du schuldig.«
Völlig überwältigt von Harjos messerscharfer Logik, sei Dennis zusammengebrochen und habe mit Tränen in den Augen gesagt: »Wir wollten ihr doch nicht wehtun.« As Harjo während der Voruntersuchung zum ersten Mal seine frei erfundene Geschichte zum Besten gegeben hatte, war Dennis explodiert und hatte gerufen: »Du lügst! Du lügst!« Jetzt, unter den Augen der Geschworenen, musste er es sich ein zweites Mal anhören und durfte keine Gefühle zeigen. Obwohl es ihm sehr schwerfiel, ermutigte es ihn, dass einige der Geschworenen angesichts Harjos alberner Geschichte ein Kichern unterdrücken mussten.
Beim Kreuzverhör machte Greg Saunders deutlich, dass Dennis und Harjo in einer der beiden Gemeinschaftszellen des Gefängnisses untergebracht waren - kleine, offene Bereiche, denen immer vier Zellen mit jeweils zwei Stockbetten zugeordnet waren. Eine Gemeinschaftszelle war eigentlich nur für acht Männer gedacht, doch häufig saßen dort mehr Gefangene ein. Selbst hier hockten die Männer also praktisch aufeinander. Trotzdem hatte im Gefängnis von Pontotoc County niemand Dennis' Geständnis gehört.
Harjo sagte aus, dass es ihm Spaß gemacht habe, Ron Lügen über Dennis und Dennis Lügen über Ron zu erzählen. Greg Saunders fragte ihn: »Warum haben Sie Dennis und Ron Williamson angelogen? Warum sind Sie vom einen zum anderen gegangen und haben ihnen Lügen über den anderen erzählt?«
»Ich wollte nur wissen, was sie sagen. Am liebsten hätten sie sich gegenseitig die Kehle durchgeschnitten.«
»Und Sie haben Ron Lügen über Dennis erzählt und Dennis Lügen über Ron? Ist das richtig? Sie haben sie sozusagen gegeneinander aufgehetzt?«
»Ja, ich wollte nur wissen, was ... wissen, was sie sagen.« Harjo gab später zu, dass er nicht wusste, was ein Meineid war.
Der nächste Informant war Mike Tenney, der Wärter auf Probe, der im Auftrag der Polizei belastendes Material über Dennis sammeln sollte. Da er so gut wie keine Erfahrung oder Ausbildung in der Strafverfolgung hatte, begann Tenney seine Karriere im Gefängnis, und Dennis Fritz war sein erster Auftrag gewesen. Er wollte einen möglichst guten Eindruck auf seine Vorgesetzten machen, die ihm vielleicht eine feste Stelle anbieten würden, und so verbrachte er viel Zeit vor Dennis' Zelle und unterhielt sich mit ihm über alles Mögliche, aber vor allem über den Mord an Debbie Carter. Er hatte eine Menge Ratschläge. Seiner fachkundigen Meinung nach stecke Dennis bis zum Hals in Schwierigkeiten, daher sei es am besten, wenn er sich schuldig bekenne, eine geringere Strafe mit dem Staatsanwalt aushandele und gegen Ron Williamson aussage, um seine Haut zu retten. Peterson werde fair sein.
Dennis hatte mitgespielt und darauf geachtet, nichts zu sagen, weil alles vor Gericht gegen ihn verwendet werden konnte.
Da Tenney Anfänger war, hatte er noch nicht oft vor Gericht ausgesagt und seinen Text nicht richtig auswendig gelernt. Er begann seine Aussage, indem er sich an eine Geschichte zu
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