Der gefrorene Rabbi
wie die Wohnwagen auf dem Gefängnisgelände, wo die stubenreinen Knackis ihre Familien empfingen. Die Welt war der Ort, wo man sein Crystal vertickte und seine Alte fickte; der Ort, wo man die Dinger drehte, für die sie einen einbuchteten, wo man die Zeit rumbrachte, damit sie einen nicht umbrachte. Wenn man einmal in dem System drin war, war es überall der gleiche böse Traum. Das Dumme war nur, dass Cholly nicht mehr derselbe war.
Irgendwas in ihm war angeknipst worden in der Zeit bei dem Alten, und jetzt konnte er es nicht mehr abschalten. Er konnte nicht mehr dichtmachen wie bei seinen früheren Gastspielen. Damals hatte Cholly es trotz seiner Größe fertiggebracht zu schrumpfen, seine Seele zusammenzufalten wie eine Kugelassel und sie irgendwo tief in sich zu verstauen, wo nicht einmal er sie mehr finden konnte. Denn wenn man sich im Loch Zeichen von Menschlichkeit anmerken ließ, war das eine Aufforderung an die Greifer, einem die Sachen abzugewöhnen, die einen von den Tieren unterschieden; und man durfte davon ausgehen, dass sie das Zeug dazu hatten. Daher war die beste Strategie, ihnen zuvorzukommen, sich abzustumpfen und wie ein lebender Toter durch die Jahre zu schlafwandeln. Diesen Zustand konnte man nicht vortäuschen, denn selbst der dümmste Zellenfilz konnte einen Menschen riechen. In der Vollzugsanstalt Brushy Mountain waren bisher keine menschlichen Wesen aufgetaucht. Und bestimmt trieben sich keine herum, als Cholly an diesem ersten Abend seiner Inhaftierung durch das Affenhaus gebracht wurde. Nur die Affen waren alle in Sicht. Manche machten Turnübungen oder hielten sich ihre Pornomagazine dicht vors Gesicht, während die Hand im Schoß auf und ab zuckte wie ein Kolben; andere schickten sich mit blendenden Spiegeln Botschaften zu oder spähten durch die Gitterstäbe, um den Neuen mit steinernen Augen zu begaffen.
So vertraut ihm die Umgebung war, Cholly fühlte sich nicht wohl in der Zweierzelle auf der Begrüßungsetage, in die er für die vorgeschriebene sechswöchige Quarantäne eingewiesen worden war. Die Gesellschaft seines Zellengenossen war ihm unerträglich. Der Baby Gangsta in dem Knochenkoffer über ihm heulte die ganze Nacht, und das Geflenne wurde nur unterbrochen, wenn sich der Kleine einen runterholte, was ungefähr jede Stunde der Fall war. Statt sich zu überlegen, ob er ihn erwürgen sollte, was wohl die beste Lösung gewesen wäre, spürte Cholly den schrägen Impuls, ihm Trost zuzusprechen. Aber er wusste es natürlich besser, da Mitgefühl ein Zeichen von Schwäche war und einen bestimmt irgendwann einholte und in den Arsch biss. Bei dem Gegreine seines Zellengenossen und den anderen Tierlauten, die gegen Morgen zu einem Radau wie in einem Zoo von Babel anschwollen, konnte Cholly nicht besonders gut schlafen. Dann begann der Tag mit seiner trügerischen Ordnung, die beim leisesten Druck wie ein wurmstichiges Skelett zu Staub zerfiel - nur dass der Staub in Block A entflammbar war. Der Ablauf war monoton: Futterfassen, Arbeit, Hofgang, Duschen, Dope und Sonderveranstaltungen, die Bibliothek oder das Revier, wenn man sich reinmogeln konnte, Besuche, wenn man draußen noch Leute hatte. Doch dabei musste man immer wieder an Großschnauzen und Schließern vorbei, die jeden Vorwand nutzten, um einem an die Wäsche zu gehen. Es gab die Knastadvokaten, die einem unerbetene Ratschläge erteilten, die Unternehmer, die vor ihrem Käfig alles verscherbelten, von Elektronik bis zu Messern, die aus Plexiglas oder Feuerzeugen zusammengebastelt waren. Da waren die armen geschlechtslosen Schweine, die im Speisesaal an den Tisch der Unberührbaren verbannt waren, die schlurfenden Leisetreter in Gummiflops, die so fertig waren, dass die Bullen gar nicht mehr auf sie achteten. Nur die Insassen hatten nichts anderes zu tun (die Fernseher in den Aufenthaltsräumen waren unzuverlässig), als aufeinander zu achten, und wenn man noch so abweisend dreinschaute, man konnte darauf wetten, dass sich irgendein Arsch in Angelegenheiten einmischte, die ihn nichts angingen. Cholly behielt seine Angelegenheiten lieber für sich.
Er war ein Kraftpaket, aber das hielt die Stechmücken und Anmacher nicht ab. Daktari Brown zum Beispiel, der einen zwölfjährigen Qualm absaß (weil er auf dem Klo geraucht hatte, wie er behauptete), bot dem Neuen seine Dienste an. Daktari betrieb einen Tattoosalon in seiner Hütte und verstand sich gleichermaßen auf das Einritzen von Swastikas der arischen Nation und
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