Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der gefrorene Rabbi

Der gefrorene Rabbi

Titel: Der gefrorene Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Stern
Vom Netzwerk:
zurück zu dir haufenweise.«
    Der Händler war ehrlich erstaunt über den Sachverstand und die Beredtheit des Rabbis. »Also noch mal langsam. Sie wollen, dass ich mein Kapital und meinen guten Namen aufs Spiel setze, damit Sie Ihr … Dingsda gründen können?«
    »A bet ha-midrasch.«
    Mr. Karp holte tief Atem. »Hören Sie, Rabbi, ich bin kein uneinsichtiger Mensch. Wenn Sie ein kleines Geschäft eröffnen wollen, sagen wir einen Tante-Emma-Laden, dann könnten wir vielleicht miteinander reden. Aber machen wir uns doch nichts vor, Sie sind jetzt schon wie lang im Rentenalter? Seit eineinhalb Jahrhunderten? Und selbst wenn es nicht so wäre, Ihre Idee kommt mir ziemlich verdreht vor, wenn ich das so sagen darf.«
    »Julius«, hob der Rabbi an. »Darf ich doch Julius zu dir sogn?« Es konnte kein Zweifel bestehen, dass er sich einschmeicheln wollte. »Red ich hier nicht von einem Haus der Lehre für sejdeß. Red ich von Rabbi ben Zephirs Haus der Erleuchtung, wo ich spende auf Anfrage Ekstase.«
    Mr. Karp wurde bleich. »Drogen?«
    Nun war es an dem Rabbi zu seufzen. »Julius …« Wieder schlich sich ein gönnerhafter Ton in seine Stimme. »Heute is Religion gutes Geschäft. Schaust du an den Erweckten in seinem Zweireiher aus Polyester im Stadion, und sogar die jüdischen Jungen und Mädchen, wie sie opfern alles, woß sie hobn, einem barfüßigen Swami, der sagt: ›Zieht ihr an schmateß und tanzt auf der Straße.‹ Und ist nicht einmal simchat torah! Will jeder erwerben zusammen mit der Satellitenschüssel a bissl den lebendigen Gott, aber hot er nicht Zeit für jahrelange Disziplin. Und jetzt kommt a zadik ha-dor, woß is meine Wenigkeit, und er gibt ihnen in paar einfachen Schritten einen Geschmack von dem Erhabenen.«
    »Soll das heißen, bei Ihrem Geschäft geht es um …« Erfolglos suchte Mr. Karp nach einem treffenden Wort.
    Der Rabbi sprang ein. »Se-lig-keit.« Er ließ jede Silbe einzeln über seine graugrün glänzende Zunge rollen. Dann räumte er ein, dass er darüber hinaus vielleicht auch einige Spezialitäten verkaufen wollte: Bücher und Glücksbringer, rote Bänder gegen den bösen Blick, alles natürlich mit einer ordentlichen Spanne und hübsch verpackt …
    »Moment, Moment!«, rief Mr. Karp. »Was weiß ein zweihundertjähriger Anfänger wie Sie über Gewinnspannen?«
    »Wärst du überrascht, wie viel sagt der Talmud über doß Geschäft. Zum Beispiel nimmst du die Abhandlung baba batra, die uns erzählt mit den dinei memonot, dass es ist erlaubt, zu bekommen Geld für ein Geschenk.« Dann fing er an, die avot zu zitieren, die Hauptkategorien im Hinblick auf Teilhaberschaft, Verkauf, gesetzliche Dokumente und so weiter.
    Mr. Karp hielt sich für einen schlauen Geschäftsmann mit nüchternem Verstand und einem Auge für gute Gelegenheiten, doch jetzt spürte er förmlich, wie er eingeseift wurde. Wie konnte er sich auch nur einen Moment der Illusion hingeben, dass so ein hirnverbrannter Vorschlag funktionieren könnte?
    Doch der Alte rieb sich die kienspantrockenen Hände und fuhr unerbittlich in der Beschreibung seines ökumenischen Gebets- und Meditationszentrums fort, wo er seinen Klienten nach einer gestaffelten Tarifskala die praktischen Mittel an die Hand zu geben gedachte, mit denen sie ihr armseliges Leben erneuern konnten. Und wenn dabei für den Rabbi ein ordentlicher Gewinn abfiel, an dem auch kluge Investoren teilhaben konnten, war doch nichts Schlimmes daran. Er benötigte nur ein wenig Startkapital, das mit Julius Karps Unterschrift auf einem Darlehensantrag bei einer Bank leicht zu beschaffen war.
    Mr. Karp war nicht geneigt, auch nur ein Jota von seiner angeborenen Skepsis abzurücken. Dennoch war er vom Geschäftssinn des Rabbis tief beeindruckt und vergaß völlig, dass er hier mit einer Laune der Natur redete. Um seinen unternehmerischen Instinkt zu zügeln, wurde er ungewohnt deutlich: »Ich soll also meinen Ruf aufs Spiel setzen, um die Geschäfte eines illegalen Einwanderers zu finanzieren, der nicht mal eine Greencard hat?«
    Der Rabbi ließ seine wenigen verbliebenen Zähne blitzen und antwortete salbungsvoll: »Bist du ein integrer Mensch, Julius. Du farschtejst, wie es funktioniert das System. Kannst du geben zu dem quietschenden Rad doß Schmieröl.«
    Sosehr er sich auch sträubte, Mr. Karp spürte, wie er dem Werben des Rabbis nachgab. Und konnte er auf diese Weise nicht mit einem klugen Schachzug gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen? Zum einen wurde

Weitere Kostenlose Bücher