Der Gegenschlag - Extreme Measures
vielen Männern in Afghanistan gesehen. Männer, die sich dem amerikanischen Kugelhagel entgegengestellt hatten, mit der festen Überzeugung, dass Allah sie schützen würde. Als Hakim in die großen glühenden Augen seines Freundes sah, fragte er sich zum ersten Mal, warum er sich auf die Sache eingelassen hatte. Sein Beitrag sollte lediglich der eines Helfers sein; er sollte sie ins Land bringen, er sollte zusätzliche Geldmittel beschaffen und geeignete Hacker rekrutieren, die ihnen helfen würden, die Abertausend Kameras auszuschalten, die die Straßen von Washington überwachten. Und schließlich sollte er dafür sorgen, dass er selbst und Karim das Land verlassen konnten. Das ganze Gerede von Allah und Schicksal hörte sich immer mehr nach einem Selbstmordkommando an.
56
ARLINGTON, VIRGINIA
Nash drückte auf den Schlüsselanhänger, und die Schiebetür des Minivans ging auf und glitt von allein zurück. Er stieg ein und setzte King Charlie in seinen luxuriösen Kindersitz. Nachdem er mit all den Riemen und Schnallen gekämpft hatte, startete er den Wagen und fuhr im Rückwärtsgang mit seinem fluchenden und zeternden Söhnchen auf dem Rücksitz die Auffahrt hinunter. Das National Counterterrorism Center war nur wenige Kilometer entfernt. Nash hatte Zeit für ein oder zwei Telefongespräche. Er überlegte, ob er Rapp oder
Ridley anrufen sollte, doch es hatte keinen Sinn, sie gerade in so einem Moment zu beunruhigen. Sie hatten auch so schon genug um die Ohren. So fiel ihm die Entscheidung nicht schwer; er rief Scott Coleman an und gab ihm Johnsons Adresse und die der Baustelle, auf der er zurzeit arbeitete. Coleman wusste über das Programm Bescheid, deshalb brauchte Nash ihm nicht erst zu erklären, worum es ging. Coleman versicherte ihm, dass er ihm in spätestens einer Stunde einen ersten Bericht liefern würde.
Am Sicherheits-Checkpoint des NCTC fragte der Wachmann im Scherz nach Charlies Ausweis. Nash lachte mit dem Mann, obwohl ihm eigentlich nicht zum Scherzen zumute war. Nachdem Charlie seinen Besucherausweis hatte, fuhr Nash auf seinen Parkplatz in der Tiefgarage und befreite Charlie von seinen Fesseln. Mit der Windeltasche in einem Arm und Charlie im anderen fuhr er im Aufzug in den fünften Stock zur Zentrale hinauf. Es war Charlies dritter Besuch im National Counterterrorism Center, und mindestens so oft war er auch schon in Langley gewesen - für gewöhnlich am Samstagmorgen, damit Maggie einmal ausschlafen konnte.
Als Nash zum Schreibtisch seiner Assistentin kam, sprang sie auf und streckte die Arme aus.
»Komm zu mir, Charlie.«
Nash reichte ihr den Kleinen und stellte die Windeltasche auf einen Sessel. Er blickte auf die Fernsehschirme an der Wand. »Gibt’s was Neues heute?«, fragte er.
Jessica arbeitete seit drei Jahren für Nash. Sie half auch bei zwei anderen Leuten aus Langley aus, die mit dem NCTC zusammenarbeiteten. »Dieser Hubschrauber der Küstenwache, der gestern abgestürzt ist …«
»Ja?«
»Gestern Abend haben die Taucher alle vier Crew-Mitglieder geborgen. In einem vorläufigen Bericht heißt es, sie wären ertrunken.« Sie kraulte Charlie unter dem Kinn. »Sie gingen heute früh wieder hinunter und fanden sieben Einschusslöcher. Vier Kugeln haben anscheinend die Triebwerke getroffen. Das FBI hat schon ein Team hingeschickt, aber die Taucher sagen, es wäre Kaliber.50. Panzerbrechende Kugeln.«
»Und sie denken, es waren Drogenhändler?«
»Ja, obwohl es da ein kleines Problem gibt.« Jessica zeigte auf eine Reihe von Tischen etwas weiter vorne. »Alberto von der DEA meint, dass sie nur sehr selten auf unsere Helis schießen, und er hat noch nie gehört, dass sie es so nahe der Küste tun.«
Nash fragte sich, ob die Fracht des Bootes mehr war als nur Drogen. »Lassen Sie’s mich wissen, sobald das FBI etwas weiß.« Er blickte zum Eckbüro hinüber und fragte: »Ist Mr. Sauertopf da?«
»Ja«, antwortete Jessica und kitzelte Charlie unter dem Arm. »Sie sollten den Jungen bei mir lassen.«
»Ist er so schlecht aufgelegt?«
»Nicht schlechter als sonst.«
»Das ist okay«, meinte Nash. »Ich benutze den Kleinen als Schild.« Er nahm ihr Charlie ab. »Eins noch«, sagte er. »Rufen Sie die Studienleiterin in Sidwell an und fragen Sie, wann sie sich mit meiner Frau trifft.«
Jessica runzelte die Stirn. »Sollte ich nicht einfach Maggie anrufen?«
»Nein … und sagen Sie einfach, Sie fragen für sie nach.«
»Was ist denn los?«, fragte sie
Weitere Kostenlose Bücher