Der Gegenschlag - Extreme Measures
»Charlie«, sagte er, »kann ich mal den Kugelschreiber haben?«
Charlie sah den Kugelschreiber an und legte ihn dann sorgfältig in Harris’ Hand. Er lächelte über seine gelungene Aktion.
»Du bist ein kluger kleiner Junge«, sagte Harris anerkennend. »Zu schlau für die Marines. Du musst zur Navy gehen wie dein Onkel Artie.« Er nahm ein Blatt Papier zur Hand. »Schieß los«, sagte er.
Nash fielen ein paar wenig schmeichelhafte Bemerkungen über die Männer ein, die über die Weltmeere segelten, behielt sie aber für sich. Seine Gedanken kehrten zu Johnson zurück. »Er ist etwas über eins achtzig groß, Afroamerikaner, etwa achtzig Kilo.«
»Wie alt?«
»Ende zwanzig.«
»Sonst noch was?«
»Er hat eine Airborne-Tätowierung auf dem linken Oberarm.«
»Name?«
Nash schüttelte den Kopf.
»Okay. Ich lass einen Kumpel von mir im Leichenhaus nach Mr. X suchen.«
»Danke«, sagte Nash und hob Charlie vom Schreibtisch herunter. Wenn Johnson etwas passiert war, würde er sich das nie verzeihen.
»Musst du deinen Arsch nicht in die Innenstadt schwingen?«
»Ja.«
»Dann viel Glück. Lass dir von den Ärschen nichts gefallen.«
An der Tür blieb Nash noch einmal stehen. »Ich bin’s nicht, dem du Glück wünschen musst«, sagte er. »Es ist Rapp, auf den sie’s heute abgesehen haben.«
57
CAPITOL HILL
Rapp stand vor dem Zeugentisch, die rechte Hand zum Schwur erhoben. Er wiederholte die Worte des Ausschussmitarbeiters, der ihn vereidigte. Es war das erste Mal, dass er vor diesem oder irgendeinem anderen Ausschuss vereidigt wurde und dabei tatsächlich beabsichtigte, die Wahrheit zu sagen. Er wusste, dass das einer der Gründe war, warum ihn so viele von diesen Leuten hassten. Sein mangelnder Respekt machte ihre aufgeblasenen Egos verrückt. Es verging kein Tag, an dem sie nicht selbst ganz bewusst die Wahrheit verdrehten oder schlichtweg logen, doch wehe, es trat jemand vor ihren Ausschuss und tat das Gleiche.
Als er fertig war, setzte er sich und blickte zu den neunzehn Senatoren auf, die vor ihm versammelt waren. Sie saßen hinter einem schweren hölzernen Tisch, der sich um ihn herum bog wie ein Hufeisen. Der Justizausschuss hatte immer wieder mit besonders heiklen Themen wie der Abtreibungsfrage zu tun und war außerdem für die Bestätigung der Bundesrichter zuständig. Das führte dazu, dass kaum ein Thema in dem Ausschuss ruhig und sachlich behandelt wurde. Von den neunzehn Mitgliedern galt ein Dutzend als ausgesprochen radikal.
Rapp saß allein an dem langen Zeugentisch. Er würde klarmachen, dass es bei dieser Sache nur um ihn ging und dass niemand sonst damit zu tun hatte. Er hatte gemischte Gefühle darüber, wie das Ganze verlaufen würde. Einerseits hoffte er fast, dass sie das Ganze vor den Medien abwickeln würden. Das würde die Dinge zuspitzen und diese Leute in ihrer Verantwortungslosigkeit bloßstellen. Anna hätte das sehr gefallen. Wenn sein Gesicht
rund um die Welt ginge, wären seine Tage im aktiven Einsatz gezählt. Je länger er jedoch über diese Frage nachdachte, umso sicherer war er sich, dass sie nicht so weit gehen würden. Diese Anhörungen waren reine Show, und diese eitlen Frauen und Männer wollten nicht bloßgestellt werden.
Die Vorsitzende trieb die Sache schneller voran, als diese Leute es gewohnt waren. Sie wollte Rapp ins Fadenkreuz bekommen, bevor er es sich anders überlegte und doch noch mit einer Horde von Anwälten daherkam. Doch es gab andere, denen es nicht gefiel, eine Anhörung mit so vielen Unsicherheitsfaktoren abzuhalten. Sie waren es gewohnt, die Aussagen schriftlich im Voraus zu bekommen, so als würde man die Lösungen für einen Test bekommen und sich dann seine Fragen dazu ausdenken. Das ganze System war so angelegt, dass es ihren Absichten entgegenkam, und Rapp freute sich schon darauf, ihnen ein paar Überraschungen zu bereiten. Das war einer der Vorteile einer geschlossenen Anhörung. Sie würden ihm eher einen gewissen Spielraum lassen. Wenn die Kameras dabei waren und sie spürten, dass sie Gefahr liefen, bloßgestellt zu werden, dann hielten sie zusammen und stürzten sich wie ein Rudel Hyänen unter lautem Geheul auf den Betreffenden, dessen Aussage in dem allgemeinen Getöse unterging. In einer geschlossenen Sitzung hatte er viel bessere Chancen, ein Argument auszuführen, und sie waren vielleicht eher bereit, die Parteipolitik aus dem Spiel zu lassen.
Die Vorsitzende Barbara Lonsdale nahm ihre Lesebrille ab und legte sie vor
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