Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
sich zusammen. Wie dumm von ihm, zu glauben, Tamar würde nach all den Wochen, die verstrichen waren, plötzlich dort am Tor auftauchen und nach ihm fragen.
»Hast du dir die Ohren vielleicht mit Ton zugeschmiert?«, fragte Jetro, die muskelbepackten Arme in die Seite gestemmt. »Wenn ich dir sage, da will dich jemand sprechen, dann ist es wohl auch so. Oder schiele ich vielleicht wie ein glubschäugiger Ziegenbock?«
Jona grinste und stellte die Karre ab. »Nicht dass es mir bisher aufgefallen wäre, Jetro!«
Der Vorarbeiter ließ es ihm durchgehen und wedelte mit der Hand. »Nun mach schon! Aber was immer der Bursche von dir will, mach daraus kein endloses Palaver wie die hohen Herrn vom Sanhedrin! Fürs Schwätzen wirst du nicht bezahlt.«
Jona versicherte, dass ihm nichts ferner liege, als mit diesem Fremden ein Schwätzchen auf Kosten ihres Herrn zu halten, und lief zum Tor.
»Bist du Jona ben Joram?«, fragte der dunkelhäutige Mann, der offensichtlich aus einem Landstrich wie Syrien oder noch weiter östlich kam. Er trug saubere Kleidung, die verriet, dass er keiner Arbeit nachging, bei der er mit Schmutz in Berührung kam.
»Ja, der bin ich«, bestätigte Jona und wunderte sich über den freundlichen, fast untertänigen Ton des Fremden.
»Ich bin ein Diener des Kaufmanns Elia ben Eljasaf«, teilte ihm der Mann mit.
Jona war, als erwachte sein Herz plötzlich aus einem Tiefschlaf. Wie wild schlug es in seiner Brust. Elia ben Eljasaf! Das musste der Kaufmann sein, der Tamar in sein Haus aufgenommen hatte. Und von diesem Herrn kam eine Nachricht für ihn!
»Mein Herr bittet dich in sein Haus«, fuhr der Diener fort. »Er lädt dich für übermorgen Abend zum Essen ein. Wenn es dir recht ist, mögest du bitte bei Einbruch der Dunkelheit bei ihm eintreffen. Und wenn es dir nicht zu viele Umstände bereitet, wäre es ihm recht, wenn ich deine Zusage oder Absage schon jetzt gleich erhalten könnte.«
Jona traute seinen Ohren nicht. Der Kaufmann lud ihn zu einem Essen in sein Haus in der Oberstadt? Ob es ihm recht war und keine Umstände bereitete, sich schon jetzt zu entscheiden, ob er kommen wollte oder nicht? Allmächtiger! Was gab es denn da noch zu fragen? Natürlich wollte er!
»Aber wenn du erst darüber…«, begann der Diener, der seine sprachlose Verblüffung für Unentschlossenheit hielt.
»Nein, nein!«, fiel Jona ihm hastig ins Wort. »Richte deinem Herrn aus, dass ich seine großherzige Einladung mit Dank annehme und mich übermorgen pünktlich in seinem Haus einfinden werde.«
Der Diener nickte. »Du wirst den Weg dorthin wissen wollen.«
»Ja, das wäre ganz hilfreich«, sagte Jona lachend, der sich vor Freude kaum zu halten wusste.
Gewissenhaft beschrieb ihm der Diener den Weg zum Haus seines Herrn, sodass er sein Ziel übermorgen gar nicht verfehlen konnte. Dann dankte er ihm höflich, als hätte er, Jona, ihm einen Gefallen getan, wünschte ihm noch einen guten Tag und entfernte sich.
Sprachlos blickte Jona ihm nach. Ein vermögender Kaufmann hatte ihn, einen kleinen Töpfergehilfen, in sein Haus zum Essen eingeladen! Was für sich schon ein Wunder war. Doch das noch viel größere, beglückende Wunder war, dass er Tamar wiedersehen würde!
4
Jona überquerte den von Palmen gesäumten Platz mit der Synagoge zu seiner Rechten, deren Giebel im letzten Schein des Abendrots wie mit flüssigem Rotgold überzogen leuchtete, und bog in die erste Gasse zu seiner Linken, wie der Diener es ihm vor zwei Tagen gesagt hatte.
Er konnte noch gar nicht glauben, dass die Stunde nun endlich gekommen war, der er zwei Tage und zwei Nächte lang so ungeduldig entgegengefiebert hatte. Mit jedem Schritt, den er sich dem Haus des Kaufmanns Elia ben Eljasaf näherte, kam er Tamar näher. Und wenn er auch sehr wohl wusste, dass sie bei dem Essen mit ihrem Wohltäter nicht zugegen sein würde, weil Frauen nicht mit männlichen Gästen an einem Tisch saßen, hoffte er doch, schon bei seinem Eintreffen zumindest einen kurzen Blick auf sie erhaschen zu können. Sie wusste ja, dass er kam, konnte Elia ben Eljasaf doch nur von ihr von seiner Existenz erfahren haben.
Schon gleich am Abend desselben Tages, an dem ihm der Diener diese wunderbare Einladung überbracht hatte, war er direkt nach der Arbeit in einen der Bazare geeilt, wo die Tuchhändler ihre Waren aus den zahllosen Ladenlokalen bis auf die mit Planen überdachten Straßen hinausquellen ließen. Denn mit seinen reichlich abgetragenen Alltagskleidern
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