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Der geheime Auftrag des Jona von Judaea

Titel: Der geheime Auftrag des Jona von Judaea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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konnte er sich unmöglich in das Haus eines vermögenden Kaufmanns in der Oberstadt wagen. Die Ehre einer solchen Einladung verlangte, dass man in seinen besten Gewändern bei seinem Gastgeber erschien. Leicht für einen Kaufmann, aber ein Problem für einen einfachen Töpfergehilfen. Ein Problem, dass sich allein dadurch lösen ließ, dass er zu seinem Ersparten griff und ein gut Teil davon für ein neues Gewand und einen Übermantel ausgab.
    Richtige Festtagsgewänder, wie sie eigentlich angebracht gewesen wären, vermochte er sich nicht zu leisten. Aber auch wenn er das Geld dafür besessen hätte, wäre er vor solch einem Kauf zurückgeschreckt. Teure Gewänder wären der ebenso sinnlose wie eitle Versuch gewesen, sich als jemand auszugeben, der er nicht war. Wem hätte er denn auch Sand in die Augen streuen können? Tamars Wohltäter war über seine einfachen Lebensumstände zweifellos unterrichtet. Er würde also gar nicht erwarten, dass er sich über seinen Stand hinaus herausputzte. Dass er überhaupt eine solche Einladung ausgesprochen hatte, ließ darauf schließen, dass er von wohlwollender Natur war und nicht zu jenen Vermögenden gehörte, die mit Geringschätzung auf das gewöhnliche Volk hinunterblickten.
    Aber ein neues Paar Sandalen erlaubte er sich dann doch zu der neuen Kleidung, und nun hatte er das Gefühl, damit das richtige Maß an Ehrerbietung gefunden zu haben und das Haus seines Gastgebers aufrechten Hauptes betreten zu können, statt ob seines ärmlichen Aufzuges schamvoll die Augen niederschlagen zu müssen.
    Und da lag es schon, das Anwesen des Elia ben Eljasaf! Es nahm am Ende der Gasse eine große Eckparzelle ein, wie es der Diener ihm beschrieben hatte. Eine kunstvoll gefügte Steinmauer umgab das Grundstück, zu dem ein Garten gehören musste, wie die Größe und Lage des vornehmen zweistöckigen Hauses im Vergleich zu der noch viel größeren Ausdehnung des ummauerten Geländes unschwer erahnen ließen.
    Ein hohes, doppelflügeliges Tor aus Akazienholz, das mit schmiedeeisernen Metallstreifen beschlagen war, führte auf die Gasse hinaus. Die in den rechten Torflügel eingelassene Tür stand einladend weit offen. Und als er über die Türschwelle in den Hof schritt, wartete dort schon ein Diener auf ihn. Es war derselbe, der ihm die Einladung seines Herrn überbracht hatte.
    Der Mann begrüßte ihn wie einen hochherrschaftlichen Gast, führte ihn zu einer Marmorbank neben dem Eingangsportal des Hauses und bat ihn, dort Platz zu nehmen, um ihm die Sandalen zu lösen und ihm den Staub der Straße von den Füßen zu waschen, wie es Brauch war. Hohe Krüge aus Steingut und Fußschalen standen dafür bereit. Auch lagen daneben makellos weiße und sorgsam gefaltete Leinentücher in einem der Körbe aufgeschichtet.
    Als er wieder seine Sandalen an den gesäuberten Füßen trug, bat ihn der Diener ins Haus, um sich sogleich wieder zurückzuziehen. Und dort in der wunderschönen, lichten Vorhalle, wo sein Auge auf mehr Kostbarkeiten traf, als er in seiner Aufregung aufnehmen konnte, erwartete ihn schon der Hausherr.
    Elia ben Eljasaf war ein mittelgroßer Mann von wohlbeleibter Statur und mit schon leicht ergrautem Haar. Kleine, aber lebhafte Augen saßen in seinem fülligen Gesicht, das an den Seiten in Hängebacken überging. Er zog das linke Bein ein wenig nach. Eine Behinderung, die ihm vermutlich von dem schrecklichen Überfall durch die Straßenräuber und den Knochenbrüchen, die sie ihm zugefügt hatten, geblieben war. Gekleidet war er in bestes Tuch, aber seine Gewänder waren doch nicht so aufwändig gearbeitet, dass Jona sich neben ihm wie ein armseliger Schlucker hätte fühlen müssen, der er ja auch war. Er hätte sich glücklich schätzen dürfen, wenn es ihm nur vergönnt gewesen wäre, ein Diener in einem so vornehmen Haus wie dem des Elia ben Eljasaf zu sein!
    »Du musst Jona ben Joram sein! Willkommen in meinem Haus!«, begrüßte ihn der Kaufmann überraschend herzlich und gab ihm auf jede Wange einen Kuss, wie man es eigentlich nur unter Freunden und bei besonderen Ehrengästen tat, zumal wenn man selbst in hoher Stellung stand. »Du bist also der tapfere junge Mann, dem ich es zu verdanken habe, dass Tamar zu mir gelangt ist und ich die Freude habe, mein Auge täglich voller Wohlgefallen auf ihr ruhen zu lassen!«
    »Ja, Herr«, war das Einzige, was Jona herausbrachte.
    »Nicht dass es mir in meinem Haus an Frauen mangelt, mein Freund«, fügte der Kaufmann augenzwinkernd

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