Der geheime Auftrag des Jona von Judaea
wollten.
Jona und Timon standen am Rande einer größeren Gruppe von Männern, die nun lebhaft über die Predigt des Täufers und den Zwischenfall mit den Leviten, Schriftgelehrten und Sadduzäern diskutierten.
»Keine Frage, er ist ein packender Redner und vor allem ein mutiger Mann!«, meinte auch Timon. »Sich Leviten, Schriftgelehrte und Sadduzäer zu Feinden zu machen ist nicht ungefährlich. Zumal wenn er auch noch Herodes Antipas öffentlich anprangert. Da kann er schnell allein auf verlorenem Posten stehen.«
Jona pflichtete ihm bei, gestand dann jedoch etwas zögerlich, dass ihn die Bußpredigt einerseits zwar sehr gepackt und auch sein eigenes Gewissen angesprochen, andererseits in ihm auch ein unbestimmtes Gefühl des Unbehagens hervorgerufen hatte. »Ich weiß nicht, wie ich es ausdrücken soll, aber vor ihm würde ich nicht meine Sünden bekennen und in den Jordan steigen. Sosehr er ja wohl mit vielem Recht hat, so hat er doch eine zu starke asketische Art und Schärfe, in deren Nähe ich mich einfach nicht wohl fühle.«
»Mir ergeht es nicht viel anders«, sagte Timon zu Jonas großem Erstaunen. »Ich habe wirklich Hochachtung vor diesem Johannes. Aber vieles von dem, was er sagt, und vor allem, wie er es sagt, erinnert mich einfach zu sehr an die Essener von Qumran - und zwar nicht gerade an ihre guten Seiten.«
Jona fühlte sich erleichtert, dass Timon seine Zwiespältigkeit teilte und sich nicht zu der großen Schar derer gesellen wollte, die Buße tun und sich von dem Wüstenasketen taufen lassen wollten. Zu ihnen zählte auch Baruch, der ihnen versprochen hatte, sie mit seinem Maultierkarren wieder zurück zur Landstraße zu bringen, die nach Galiläa führte.
»Was hältst du davon, wenn wir uns da hinten bei den Büschen eine Weile aufs Ohr legen?«, schlug Timon vor und gähnte herzhaft. »Bis Baruch mit seinem Sündenbekenntnis und seiner Taufe an der Reihe ist, wird es noch ganz schön dauern.«
Jona grinste ihn an. »Nichts lieber als das!«
Als sie sich von den anderen entfernten, hörte Jona hinter sich jemanden mit verwunderter Stimme fragen: »Wer ist denn das, der da gerade über den Hügel gekommen ist und vor dem der Täufer sich so tief verneigt?«
»Das ist sein Vetter«, antwortete eine andere Stimme beiläufig. »Dieser Jesus aus Nazareth.«
3
Benommen fuhr Jona aus dem Schlaf. Er brauchte einen Moment, um sich bewusst zu werden, dass er im Schatten hoher Büsche auf der Erde lag, den Kopf auf seinen prallen Wasserschlauch gebettet, die Schnur des Proviantbeutels um sein linkes Handgelenk gebunden und die Rechte auf dem kräftigen Hirtenstab neben sich.
Sein noch leicht getrübter Blick ging durch die Zweige über seinem Kopf in die blendend blaue Helligkeit des Himmels, während seine Gedanken den seltsamen Traum festzuhalten versuchten, der ihn im Schlaf heimgesucht hatte.
Die Traumszenen begannen schon zu verblassen und sich der genauen Erinnerung zu entziehen. Aber er sah vor seinem geistigen Auge noch das Bild eines fremden Mannes, der zusammen mit Johannes dem Täufer im Jordan stand und vollständig in die Fluten eintauchte. Und als dieser Fremde in seinem Traum wieder aus dem Wasser stieg, war etwas höchst Eigenartiges, ja Befremdliches geschehen. Denn da hatte sich der Schatten einer Taube auf diesen Mann gelegt, und im selben Augenblick hatte eine unsichtbare Stimme von oben herab die rätselhaften Worte gesprochen: Du bist mein geliebter Sohn, an dir habe ich Gefallen gefunden!
Jona fühlte sich verwirrt, löste sich schließlich mit einem inneren Ruck von den seltsamen Traumbildern und richtete sich auf. Er streckte sich, während er hinter dem Gesträuch hervortrat, um zu sehen, ob Baruch seine Taufe im Fluss wohl schon hinter sich hatte.
»Mann, habe ich einen wirren Traum gehabt«, sagte Timon, der gleichfalls aufgewacht war, setzte sich kopfschüttelnd im Schatten auf und fuhr sich über die Augen. »Einfach verrückt! Dieser feurige Prediger hat mich doch wahrhaftig bis in den Schlaf verfolgt! So etwas Merkwürdiges habe ich noch nie geträumt!« Er griff zu seinem Ziegenschlauch, um sich einen Schluck Wasser zu genehmigen.
»Du auch?«, Jona lachte verunsichert. »Warte mal, wenn ich dir erzähle, was ich geträumt...« Jäh brach er ab, als sein Blick auf eine Gruppe von Männern fiel, die etwa fünfzig, sechzig Schritte von ihm entfernt bei einem Händler standen, der aus seinem Handkarren Brotfladen und andere Esswaren verkaufte. Einer der
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