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Der geheime Basar

Der geheime Basar

Titel: Der geheime Basar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Leshem
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Parks, besuchten die alten Leute, warteten mit Speisen und Getränken auf, verteilten Geschenke und verwöhnten die Arbeiter mit großzügigen Spenden. Das war unser Fest. Die Ajatollahs sehen darin ein minderwertiges Überbleibsel aus finsteren alten Tagen, einen Götzendienst.
    In der Großstadt schrubbten die Hausfrauen schon seit etlichen Tagen die Böden. Ein scharfer Geruch nach Reinigungsmittel wehte aus jeder Richtung. Es war noch immer bewölkt, gelegentlich verschneit, doch in der Zwischenzeit konnte man Teppiche über Balkonen hängen sehen, Staubwolken, die in die klare Kälte aufstiegen, und an den Straßenecken abgestellte alte Möbel, die darauf warteten, dass der Namaki mit einem Liefer- oder Pferdewagen kam. Die Basare waren ein einziges Gedränge, alle kauften neue Kleider, Spielzeug und Elektrogeräte. Bunte Lichterketten strahlten und blinkten fröhlich, und Plüschtiere tanzten am Eingang der Geschäfte, verführten zum Eintreten.
    Zahra pendelte in der Wohnung zwischen matter Lustlosigkeit und nutzlosen Energieausbrüchen hin und her. Als ob die langen, untätigen Tage auf dem Sofa ihre sämtlichen Kräfte gespeichert hätten, bis sie urplötzlich, ohne jede Vorwarnung, ausbrachen. Sie tobte herum. Hielt inne. War fröhlich. War traurig. Gab sich mit dem Kater ab, entfernte Staubschichten von den Fotoalben, räumte grundlos die Regale um und stöberte in dem grenzenlosen Dachspeicher, dessen zersplitterte Holztür seit Jahren kein Mensch mehr geöffnet hatte und in dem sich nichts befand, das es wert gewesen wäre, ihn überhaupt zu betreten. «Es ist schrecklich traurig, dass Babak immer noch vermisst ist», sagte sie, «aber wir sind davongekommen, das ist ein schwacher Trost.»
    Nilu lud mich zum Festessen im Haus der Familie Chalidian ein. Es war ein bedeutender Augenblick für mich, und obwohl ich wusste, dass ich nicht in der richtigen Stimmung war, meinen Charme für den ersten Eindruck auf so wichtige, reiche Leute einzusetzen, obwohl ich zu schwach und verstört war für ein so großes Ereignis, entschloss ich mich, keinesfalls abzulehnen – meine Sorgen durften meine Liebe zu Nilu nicht beeinträchtigen. Auch für Babak konnte es nicht schaden, wenn ich mich mit einem Mitglied des Parlaments anfreunden würde, der gewisse Fäden ziehen könnte. Wenn jemand unsere Frühstücksrunden mit dem Gebäck vom Argentina-Platz zurückbringen könnte, dann war es doch wohl der Parlamentsabgeordnete. Die wichtigste Aufgabe bei diesem Neujahrsessen war, fröhlich zu wirken, das wusste ich, die Menschen lieben die Gesellschaft lächelnder Gesichter.
    Um siebzehn Uhr dreißig stand Nilu mit Tüten teurer Geschäfte in der Tür, um mich abzuholen. Warum muss sie die ganze Zeit Armani und Gucci tragen?, dachte ich, gab ihr aber die liebevollste Umarmung, zu der ich imstande war. Sie holte ein weißes Baumwollhemd mit Knöpfen aus einer Geschenkverpackung und zog mir eine neue Leinenhose mit Ledergürtel an. Ich war verlegen, aber nicht beleidigt. Schmeichelhaft, wie wichtig ihr der Abend war. Sie durchwühlte meinen Schrank und holte eine Lederjacke heraus, die ihr gefiel, steckte mich hinein und half mir sogar, die passenden Socken auszusuchen. Dann drapierte sie mir noch eine schwarze Kafija um den Hals, die unter meinem Hemd herausschauen würde. Wir küssten Zahra zum Abschied, kraulten dem Kater die Schnauze und gingen – wie ein aufgeregtes Paar zu seiner Hochzeit. Das Herz schlug mir in der Brust, als würde es von Stromschlägen erschüttert. Im Auto hielten wir uns an den Händen, streichelten einander pausenlos, und ich sagte: «Danke, danke, dass du bei mir bist.» Aber Nilu schwieg bedrückt.
    Das Wohnzimmer in der weitläufigen Villa blickte auf den Swimmingpool und den Obstgarten hinaus. Die Unterwasserbeleuchtung verteilte ihre Lichter mit einem sanften gelben Schimmer über das Fenster. Versilberte Regenrinnen hingen von den weißgekalkten Außenwänden neben den alten italienischen Holzfenstern hinunter, die von einer mediterranen Pergola beschattet waren. Nilus Mutter, eine kerzengerade, feine Frau in einem orangefarbenen, gepufften Kleid, eilte auf mich zu, drückte meine Hand, lächelte mich warm an. «Ich freue mich sehr, dich zu treffen, lieber Kami.» Sie legte mir zart eine Hand auf die Schulter und führte mich zum Tisch im Salon, auf dem die traditionellen Festzutaten dargeboten wurden: Weizen und Gerste, ein Goldfisch im Aquarium, dünne, brennende Kerzen vor einem

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