Der geheime Basar
isst. Daneben taucht ein angeblicher Link zu einer kaukasischen Kochwebsite auf, doch das ist eine Falle, in der sich ein Killervirus verbirgt, der euren Computer zerstört.»
«Guten Abend, Katzendompteuse Niwoscha aus Nordteheran. Erlaube mir, dir zu schreiben, was ich an Katzen liebe: Sie haben die Seele eines raubgierigen Panthers, gefangen im weichen Körper eines Plüschtiers. Was ist ihnen von ihrer Seele geblieben außer dem hochmütigen Dschungelschritt? Es ist ziemlich frustrierend für ein Tier wie eine Katze, so voller Triebe und Bestrebungen, sich so sehr bewusst zu sein. Und auch eingeschränkt. Hallo? Bist du wach, Dompteuse? Bist du überhaupt da?»
«Aber sicher, lieber Brandon. Dir auch einen guten Abend.»
«Stell dir ein Kleinkind vor, das sich allein auf den Straßen der Stadt herumtreibt, zwischen den Strecken der Untergrundbahn, sich entsetzt umschaut, denn es wird verfolgt und gehasst – wie soll man da kein Mitleid haben? Und schließlich ist eine Katze irgendwie merkwürdig, sie will ihr Territorium mit keiner anderen Katze teilen, doch wenn keine andere in der Gegend ist, ist auch niemand zum Kämpfen da, und es ist langweilig, bedeutungslos, sie geht ein.»
«Was bedrückt deine Seele, Brandon, dass du zu einer so traurigen Schlussfolgerung kommst?»
«Man muss gestehen, Dompteuse, dass das wenige an Vernunft, das Chamad, der Kater, noch hatte, sich entschieden verabschiedet hat. Jedes Klingeln an der Tür, jedes Niesen sprengt ihn in die Höhe. Seine Ohren sind gespitzt, auch wenn er döst. Manchmal sehe ich, wie sie sich aufrichten, als hätte er irgendein bedrohliches Geräusch wahrgenommen, ein Wagen der Revolutionswache zum Beispiel. Er dreht die Ohrmuscheln nach vorn oder zur Seite und manchmal vor und zurück, in einem Hundertachtziggradwinkel, wie Antennen. Und dann schießt er im Amoklauf los und versteckt sich in einem seiner Schlupfwinkel.»
«Lieber Brandon, der Kater ist bedroht. Es ist seine Natur. Lasst ihm seine Ruhe. Lasst ihn auf dem Kühlschrank ruhen. Lasst ihn euch beobachten aus der Höhe seiner eigenen sicheren Zufluchtsorte. Er braucht Sicherheit. Wenn er ins Zimmer kommt, ignoriert ihn. Richtet keinen direkten Blick auf ihn.»
«Aber warum, Dompteuse? Wovor muss er denn Angst haben?»
«Er hat eine einzige Angst, stärker als alle anderen – seinen Platz zu verlieren.»
«Und da ist noch ein Problem, Dompteuse. Er hat einen empfindlichen Magen. Er darf nichts fressen außer der trockenen Diätnahrung vom Tierarzt für kleine Katzen. Sogar Pastrami verursacht ihm Durchfall. Er springt in die Badewanne, damit es meine Tante leichter hat, es wegzuspülen, oder wirft eine Blumenvase um, um alles unter Wasser zu setzen und es zu verbergen. Der Tierarzt hat ihm zwei Sorten Antibiotika verschrieben, was meiner Tante sogar gefällt, denn wenn Chamad sie schluckt, streicht er ihr innerhalb weniger Minuten benommen um die Beine und schmiegt sich an sie. Für zwei oder drei Stunden blüht ihre Beziehung auf, plötzlich ist er wie ein Baby, das sich in ihren mütterlichen Armen zusammenrollt und die Augen schließt. Er geht zu allen, die in die Wohnung kommen, will hochgehoben werden und sich vergewissern, dass ihn alle lieben.»
«Sehr schlecht.»
«Ja, du kannst dir natürlich vorstellen, dass Chamad es gar nicht mag, so unkontrolliert berauscht zu sein und beschmust zu werden, und daher mag er die Antibiotika nicht. Die Einspritzung der Flüssigkeit in seinen Rachen jeden Morgen und Abend ist zu einer grausamen Operation geworden. So langsam hasst er uns, und er hasst die Spritze. Während der Prozedur stößt er das Geheul eines Panthers in Not aus. Zahra schreit ihn verzweifelt an, das ist zu deinem Wohl, du undankbares Stück, das ist für dich, du dummer Hund. Da Chamad gelernt hat, sich zu den Zeiten der Spritze in Acht zu nehmen und uns alle mit seinen raffinierten, flinken Ausweichmanövern unter die Sofas fertigmacht, bleibt uns keine andere Wahl, als ihn hungern zu lassen, die meiste Zeit tagsüber, und im erforderlichen Moment den einzigen Köder auszuwerfen, der den Kater an die Angel kriegt – Pastramistreifchen. Nur für den Geruch. Denn er darf das ja nicht fressen. So ist das. Am Ende möchte Zahra, dass es ihm gutgeht und er nicht denkt, sie sei der Feind, also jagt sie ihm die ganze restliche Zeit hinterher und versucht ihn einzufangen, um ihn zärtlich zu streicheln, damit er ihre Liebe spürt, damit ihm nicht nur grausame Erinnerungen an
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