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Der geheime Basar

Der geheime Basar

Titel: Der geheime Basar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Leshem
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Was sagt uns das?» So fragte ich. Ich hatte die Freiheit, die allerdümmsten Dinge der Welt zu fragen. Und die Freiheit, mich auf dem Balkon auszuziehen und zu brüllen, dass ich die Freiheit hatte – nackt gegenüber der Stadt. Und ich war dermaßen wach, dass ich gar nicht verstand, wer denn überhaupt je im Leben schlafen muss, und ich war scharfsinnig und wusste, wir würden siegen, Babak, Nilu und ich.
    Und um drei Uhr morgens flogen wir durch die verödeten Straßen. Die Digitalanzeigen über den roten Ampeln blinkten grün, während sie die Sekunden rückwärts zählten – meistens warteten wir nicht. Wir trafen Muhammad in einem alten, aufgegebenen Keller im Industriegebiet, der in einen Club umfunktioniert worden war für Menschen, die unter der Erdoberfläche leben wollen, so wie wir. Nilu tobte auf den Tischen, während eine Reihe von Leuten ständig in den Klokabinen ein- und ausmarschierten. Ich sah mit dem eigenartigen Jungen vom Schwarzmarkt vom Rand aus zu. Wir brüllten einander ins Ohr. Muhammad, wie immer wenn er befangen war, musste den Zauber ruinieren. «Sei nicht zu begeistert», schrie er mir ins Ohr, «in drei Jahrzehnten wird die Welt ohnehin dunkel sein.»
    Er tat mir leid, er ist ein gejagter Mensch, dachte ich und sagte, dass sich die Menschen manchmal gerade an der Schwelle des Abgrunds ändern, wenn es also jetzt eine Krise gebe, würde es danach besser werden.
    «Unterschätze nie die Fähigkeit der Menschen, dich zu enttäuschen», erwiderte Muhammad, legte sich auf die Bank und kniff die Augen zusammen, während schmerzhafte Falten seine Stirn durchschnitten. Grüne Lichter tobten um uns herum.
    «Nein, ich glaube immer noch an die Menschen», antwortete ich, «an alles, was sie hier geschaffen haben, wir sind das Volk, das der Menschheit die Grundfreiheiten des Menschen gebracht hat, am Ende wird etwas passieren.»
    «Des Menschen? Wir?», lachte er. «Und das wird uns in eine Welt führen, die ganz und gar gut ist? Du bürdest dem Menschen diese Aufgabe auf? Sehr optimistisch.»
    Er war betrunken. Ich fragte ihn: «Sag mal, Muhammad, warum haben die Menschen in der freien Welt deiner Meinung nach aufgehört, Kinder auf die Welt zu bringen? Ich meine, wenn in Europa die Geburtenrate sinkt, heißt das, dass sie so egoistisch sind, dass sie kein Interesse daran haben, für ein Lebewesen außer ihnen selbst zu sorgen? Oder vielleicht im Gegenteil, sind sie so sehr Nicht-Egoisten, dass sie kein Interesse daran haben, ein Kind in eine Welt ohne Zukunft zu setzen? Ein Kind zu haben, nur um zu sehen, wie dein Abbild nach dir weiterexistiert, dir im Alter hilft und sich nachher an dich erinnert, vielleicht ist gerade das der überheblichste Egoismus? Was ist denn eigentlich der Grund, Kinder zu kriegen?»
    Muhammad gab vor zuzuhören, doch er hatte keine Ahnung, was ich gesagt hatte. Seine Pupillen rutschten weg, ertranken in seinen rotgeränderten Augen.
     
    Am Mittag, als ich in Nilus Penthouse erwachte, fand ich sie zusammengekauert im Wohnzimmer, in ihr Mobiltelefon versunken. Sie drückte mit einer Fingerfertigkeit auf die Tasten, die mich schwindlig werden ließ, und ich fragte: «Was ist los?»
    «Man chubam, mir geht’s gut.»
    «Wem schreibst du?»
    «Ich schreibe nicht. Ich lösche. Ich ziehe es vor, das Telefonverzeichnis auswendig zu können. Es gibt keinen Grund, dass ich damit herumlaufe.» Sie trommelte mit beiden Daumen auf das Gerät ein, auch während sie mich für einen kurzen Moment anblickte.
    «Warum?», wunderte ich mich.
    «Weil es nicht sehr schwierig ist.»
    «Aber wozu die Mühe?»
    «Es ist verantwortungslos, mit einer Liste von allen Personen, die ich kenne, herumzulaufen. Man kann nie wissen, wer das Ding einmal in die Hände kriegt.»
    «Was ist los, Nilu? Wovor hast du Angst?»
    «Ich habe keine Angst, keine Sorge, Tschutschu, das sind nur Vorsichtsmaßnahmen.»
    Auf dem Tisch lag ein Exemplar des französischen Wochenmagazins, das mit der Post gekommen war. Meine Prinzessin auf dem Titelblatt, mit offenem Haar, im Staubwirbel auf der verlassenen Bergstraße, und einem provozierenden Lächeln. Die Überschrift lautete: «Demnächst in der Formel 3: Die Staubkönigin Nilufar Chalidian entfacht eine Revolution.»

23
    «Eine wichtige Nachricht, gefährlich und dringend. Bitte an alle weiterleiten. Passt gut auf, in den letzten Tagen wurde eine Mail herumgeschickt, die das Bild eines Mädchens mit einer Zahnspange enthält, das eine gegrillte Aubergine

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