Der geheime Basar
aus, berief diplomatische Treffen im Liegen ein, gehüllt in bestickte Roben aus Kamelhaar. Er glaubte, dass Könige die Politik den Abgeordneten der Öffentlichkeit überlassen müssen. Kein Wunder, dass Schah Muhammad Reza ihn nicht ertrug. Er war ein Symbol der Unabhängigkeit, des Nationalismus, der Rehabilitation, unserer Chance. Er dachte auch, dass der Iran das Recht habe, die größte Raffinerie der Welt in die eigenen Hände zu nehmen, die zwar auf unserem Territorium stand, jedoch von der britischen Regierung kontrolliert wurde. Er täuschte sich. Wir hatten nicht einmal das Recht, einen Blick in die Abrechnungsbücher zu werfen. Als er beschloss, sie zu nationalisieren, sie den Engländern wegzunehmen, kam die gesamte Wirtschaft ins Rutschen, denn britische Kriegsschiffe verhängten eine Seeblockade, und die internationale Krise und der Boykott trafen den nationalen Geldfluss empfindlich. Doch das Volk unterstützte ihn, seinen demokratischen Ministerpräsidenten – die Kommunisten, die Nationalisten und die Fundamentalisten, alle standen begeistert auf seiner Seite, weil sie keine Marionetten mehr an der Regierungsmacht wollten. Muhammad Mossadeq war der letzte demokratische Ministerpräsident.
«Amazon und das nationale Sicherheitsarchiv der Vereinigten Staaten von Amerika sind stolz, Ihnen fünfzehn Dollar und fünfundvierzig Cent sparen zu können, was einunddreißig Prozent unter dem Verbraucherpreis bedeutet, und Ihnen für nur vierunddreißig Dollar fünfzig – oder sogar für nur einunddreißig Dollar neunundneunzig, wenn Sie sich mit einem gebrauchten Exemplar zufrieden geben – die Sammlung der Geheimdokumente anzubieten, die ein Licht auf die amerikanisch-britische Gemeinschaftsoperation zur Stürzung des iranischen Ministerpräsidenten wirft: ‹Mohammad Mosaddeq and the 1953 Coup in Iran›, eine neue, prachtvoll gebundene Sammelausgabe von Mark J. Gasiorowski und Malcolm Byrne. Drei Leser haben bereits eine 5-Sterne-Bewertung abgegeben. Frei Haus. Momentan in der Amazon-Bestseller-Liste auf Rang 193 816.»
Die New York Times. Eine Enthüllung. «Die Geheimschubladen der Keller des Nachrichtendienstes öffnen sich, streng geheime Dokumente kommen ans Licht: Die Intrige, die Operation Ajax zum Sturz der iranischen Regierung: So wurde ein junger Mann vom CIA , Spezialagent Kermit Roosevelt, Enkel des 26. Präsidenten Theodor ‹Teddy› Roosevelt, mit einem Koffer mit einer Million Dollar Inhalt losgeschickt, um das vereinte demokratische Regime im Iran zu stürzen. Die komplette Spionageaffäre, Stunde für Stunde, in Stephen Kinzers erhellendem Buch, ‹All the Shah’s Men›. Im Paperback sparen Sie vier Dollar und achtundsiebzig Cent, zweiunddreißig Prozent unter dem Verbraucherpreis. Begeisterte Kritiken. Das Staatsministerium in Washington hat Bedauern geäußert.»
Schnecke hatte recht gehabt. Es waren die Amerikaner. Und Zahra hatte recht, wir waren ein zu romantisches Volk. Und zu totalitär. Und zu geil. Und süchtig nach Dramen. Und gesättigt an narbenschlagenden Revolutionen, wie Frau Safureh zu Recht gesagt hatte. Und auch Muhammad vom Schwarzmarkt hatte recht, und Amir hatte recht. Eine Menge Leute haben häufig recht, aber was besagt das schon?
29
Wir lebten weiter. Zahra öffnete die Rollläden des Balkons. Schaltete alle Lichter ein. Verteilte Süßigkeiten im Salon. «Wir werden uns konzentrieren», sagte sie, «diszipliniert und reif sein, denn Unglücke lassen uns reifen. Wir werden das ganze Leben mit Nilu zusammen sein, und das Leben wird sich bessern. Denn Nilu ist für das Volk gestorben, das sie geliebt hat. Und das Volk wird das noch schätzen.»
Frau Safureh nickte zustimmend. «Ja, Nilu ist für die Freiheit gestorben.» Und sie durchstöberte das Internet, doch es ließ sich kein einziger Bericht über den Kran an diesem Morgen finden. Bei Google waren die gewünschten Websites blockiert. Keine Spur. «Ihr irrt euch», entgegnete ich, «Nilufar ist gestorben, weil sie das Leben liebte, und Babak ist verschwunden, weil er es nicht liebte, in Lüge zu leben.»
Zahra sorgte sich um mich. Amir bat sie um Erlaubnis zu bleiben. «Würdest du auch an Deck der Titanic dermaßen höflich sein?», fragte sie verwundert und holte ihm ein frisches Handtuch, eine neue, noch verpackte Zahnbürste und ein Kissen. Er richtete sich in meinem Zimmer ein. Packte den kleinen Rucksack aus und verkündete, er würde nicht gehen. Den größten Teil des Nachmittags
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