Der geheime Basar
Stille Dunkelheit.
Glück. Vielleicht würde Zahra dank mir beschließen, zu sterben aufzuhören, dachte ich erregt. Sie hatte sich auf einem gepolsterten Hocker niedergelassen, starr und steif vor Schreck, Blässe überzog ihr Gesicht, das plötzlich rissig, gealtert wirkte. Warum brach sie nicht in Tränen aus? Wir schwiegen alle, das Blut in meinem Körper schien zu stocken, dann strömte es wieder, sturzflutartig.
Licht fiel erneut auf die Bühne. Der verflossene, mit Preisen und Ehren hoch dekorierte Dichter Ahmad Schamlu las ein Gedicht vor: «Wenn du nicht wie ein freier Mensch leben kannst, breite deine Flügel aus und sterbe glücklich als freier Mensch.» Würde sie noch einmal auf die Bühne zurückkommen? Doch der Filmstreifen brach überraschend ab. Ich klickte auf den unteren Bildschirmrand. «Schau», sagte ich in aufmunterndem, väterlichem Ton, «die Leute haben Kommentare hinterlassen, bewegend, wie viele Bewunderer du hast, der Junge hier schreibt aus Los Angeles, sehnt sich nach der Prinzessin. Die Prinzessin bist du! ‹Ich war damals noch nicht geboren›, schreibt eine Deutsche, ‹aber die Platten laufen bei mir schon seit Jahren, immer am Freitagabend, sie lassen meine Seele schmelzen, ich brauche sie, alle Texte von Zahra kenne ich auswendig, auch wenn ich sie nicht immer ganz verstehe, das Persisch, das ich von meinen Eltern habe, ist ziemlich schwach, tut mir leid.›» Glück. Dann klickte ich schnell den Bildschirm weg, um einen Kommentar zu verbergen, der von hier, von einer Frau aus der Stadt war, die schrieb: «Wie gut, dass wir sie losgeworden sind, was für eine Pachtsch die war» – was Krummbein heißt und Schlampe besagt. «Zahra, komm, wir schauen mal, wie alt sie sind, deine Fans. Kaum zwanzig, sieh nur, nicht älter als dreißig!»
«Wie ist das möglich?», wunderte sich Frau Safureh.
«Es ist», erwiderte ich mit Genugtuung, während ich auf Zahras Freudenausbruch wartete, «siehst du, nichts stirbt wirklich, und solche Kunst ganz sicher nicht. Das ist doch eine Befriedigung, oder?»
Zahra stand auf, dankte mir und ging allein in die Küche. Ein bisschen gebeugt, auch ihr Gesicht wirkte eingefallen. Vielleicht überstieg es ihre Kräfte? Babak fuhr fort, ihre Bilder durchzublättern, mit wässrigem Mund. Da war eines mit kniehohen Stiefeln und einem grünen Minirock aus Leder. Glänzend. Dazu eine rosa Bluse mit Spitzkragen. «Was für ein Ledergirl!», rief er. Ihm fiel nicht auf, dass das momentan unpassend war. «Zahra, hast du diese Sachen vielleicht noch?», fragte Frau Safureh. Sie versuchte abzuwiegeln, den Star zu besänftigen, erhob sich schwerfällig und wollte zu ihr gehen. Doch ich hielt sie zurück, legte eine Hand auf ihre hinfällige Schulter und sagte zu ihr: «Nein, ich habe diesen Aufruhr angezettelt, also lassen Sie mich, es ist mir wichtig.» Dann holte ich tief Luft wie vor dem Abmarsch in die Schlacht und ging zu ihr in die Küche. «Verzeih mir», sagte ich zu Zahra, «ich hätte diesen Computer überhaupt nicht hierherbringen sollen.»
«Nein, Kami, das ist in Ordnung», korrigierte sie mich mit zurückhaltender Freundlichkeit, «vergnügt ihr euch nur, das stört mich ganz und gar nicht, ich kenne diese Filme.»
Ich probierte ein zweites Mal, ihr noch etwas mehr an Bestätigung oder Verzeihung abzuringen. «Ich dachte, es würde dich freuen, entschuldige bitte.» Ich stand da und zitterte innerlich.
Wir waren beide hilflos und matt. Ich versuchte, sie in eine Umarmung zu zerren, und sie tätschelte mir ein wenig die Hüften, doch sie war fern und erloschen. Eine abgestumpfte Frau, die gerade die Überbleibsel ihres Lebens in einem Netz verstreut gesehen hatte, von dem sie keine Ahnung hatte, wie sie es handhaben sollte. Die mit einem dicken schwarzen Kajalstrich umrandeten Augen wiesen keine Spur von Feuchtigkeit auf. Sie ist dieser Typ Mensch, dachte ich, bei dem man unmöglich wissen kann, ob er sich selbst liebt oder nicht, denn beides sieht fast gleich aus, alles, was sie fühlt, ist übertrieben.
«Geh nur, spielt weiter, mir geht es gut.»
«Zahra, ich werde diesen Computer nur fürs Studium benutzen», versprach ich, «und um Nachrichten in Englisch zu lesen, vielleicht noch um amerikanische Filme zu sehen, sonst nichts.»
Babak und Frau Safureh warteten im Salon auf den Erlass, auf ein Signal, dass sie fortfahren konnten, denn sie hatten eine Menge, wonach sie suchen wollten, so viele Dinge gab es in dem neuen Wunderarchiv zu
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